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F. Seibert: Karl Seebold.
sondern auch die innigstgefühlte Anerkennung, Liebe und Verehrung seiner Schüler
und deren Eltern bis jetzt zu Teil geworden ist. — Ganz besonders verdienen hervor-
gehoben zu werden: Die Gründlichkeit und Solidität seiner Behandlung des Lehr-
gegenstandes, die sich mit wenigerem, aber wie es scheint, gerade dem Rechten und
Brauchbarsten genügen lässt; seine vortreffliche Unterrichtsmethode und seine wohl
auf tiefere psychologische Studien und wohlbenützte Erfahrungen begründete Behandlung
seiner Schüler, in welchen Eigenschaften ihn der Himmel ganz vorzugsweise befähigt
zu haben scheint, ferner die ihm eigenen und speziellen Sorgen um erstere in Ver-
bindung mit einem Benehmen und besonderen Handlungen der Gemütlichkeit und
Liebe und des lebhaftesten Pflichtgefühls, — wobei er jedoch niemals die Würde des
Lehrers aus dem Auge verliert — die selbst in Aufopferungen mancher Art bestehen
und für den Werktätigen meist so insipid und narkotisch wirksam, häufig so bitter-
süss und (undeutliches Wort) und öfters dazu noch eine Ernte des Undanks sind.
Professor Seebold ist unverheiratet, seine Lebensweise ernst, solid und zurück-
gezogen. Alle diese Vorzüge machen ihn zu einem unschätzbaren Lehrer unserer Anstalt
und ich glaube nicht zu weit zu gehen in seinem Lobe, wenn ich den frommen Wunsch
äussere, dass alle Lehrer unseres Landes die Eigenschaften Seebolds teilen möchten;
jedenfalls darf man unserem Vaterlande Glück wünschen, einen solchen Erwerb gemacht
zu haben und es wird in dieser Überzeugung die Unterzogene gewiss keine Fehlbitte
tun mit dem gehorsamsten Ansuchen, bei hohem Kollegium, Grossherz. Ministerium
des Inneren die Unwiderruflichkeitserklärung der Staatsanstellung desselben geneigtes!
veranlassen zu wollen.
Mannheim, den 13. Mai 1846.
Die Inspektion der höheren Bürgerschule zu Mannheim: Dr. Seitz.
Anlage 8.
Brief an den Verfasser. Mannheim, den 7. November 1913.
Hochgeehrter Herr!
Ihr Ausschreiben betreffend den seligen Herrn Professor Seebold las ich und
ist meine lebhafte Erinnerung an diesen herrlichen Mann, meinen teuersten Lehrer
in der damaligen Bürgerschule hier (1840—53) dadurch zu neuem Leben erwacht.
Leider kann ich Ihnen, geehrter Herr, nichts über Herrn Seebolds letzte Jahre
sagen, aber mein Gefühl kann ich nicht unterdrücken und möchte es zum Ausdrucke
bringen, wie ich den Prachtmenschen verehrte, und da es wohl denkbar, dass es
Ihnen Freude bereitet, so teile Ihnen mit:
1848 kam ich in die Bürgerschule mit neun Jahren. Ich glaube, dass Herr
Seebold erst 1849 in der dritten Klasse unser Lehrer wurde, und zwar in Turnen
und in Englisch. Trotz seiner schon vorgeschrittenen Jahre war er ein trefflicher
Turner; ich glaube, er war vorher in England. Seine Stimmung war wechselnd;
meistens trefflich, dann wieder, als ob er einen Kummer habe. Damals war bei vielen
Lehrern die „Stunde“ eine Qual, bei ihm eine Lust.
Die Art, wie wir „Englisch“ lernten, halte ich bis zur Stunde für die beste.
Einmal musste ich nachsitzen, von 12—1 Uhr. Kaum waren die Schüler fort, liess
er mich in seine Wohnung im vierten Stocke, Raupenzimmer der Schule, holen und
war es eine prächtige „Nachsitzestunde“ bei ihm, die ich heute noch in dankbarem
Gedächtniss habe.
Sie sehen: Sagen kann ich Ihnen nichts und muss daher wohl um Entschuldigung
bitten. Trotzdem aber fühle ich, das den Manen des Mannes gebührend auszusprechen,
wenn ein Schüler nach länger als 60 Jahren seiner noch in Liebe gedenkt.
Nach meiner Schulzeit fing das Erwerbsleben an, und ich weiss nichts mehr,
als dass er nach seiner Pensionierung noch länger lebte; in Berührung bin ich nicht
mehr mit ihm gekommen.
Ich zeichne mit vorzüglicher Hochachtung ergebens! Herrn. Löb-Stern.
F. Seibert: Karl Seebold.
sondern auch die innigstgefühlte Anerkennung, Liebe und Verehrung seiner Schüler
und deren Eltern bis jetzt zu Teil geworden ist. — Ganz besonders verdienen hervor-
gehoben zu werden: Die Gründlichkeit und Solidität seiner Behandlung des Lehr-
gegenstandes, die sich mit wenigerem, aber wie es scheint, gerade dem Rechten und
Brauchbarsten genügen lässt; seine vortreffliche Unterrichtsmethode und seine wohl
auf tiefere psychologische Studien und wohlbenützte Erfahrungen begründete Behandlung
seiner Schüler, in welchen Eigenschaften ihn der Himmel ganz vorzugsweise befähigt
zu haben scheint, ferner die ihm eigenen und speziellen Sorgen um erstere in Ver-
bindung mit einem Benehmen und besonderen Handlungen der Gemütlichkeit und
Liebe und des lebhaftesten Pflichtgefühls, — wobei er jedoch niemals die Würde des
Lehrers aus dem Auge verliert — die selbst in Aufopferungen mancher Art bestehen
und für den Werktätigen meist so insipid und narkotisch wirksam, häufig so bitter-
süss und (undeutliches Wort) und öfters dazu noch eine Ernte des Undanks sind.
Professor Seebold ist unverheiratet, seine Lebensweise ernst, solid und zurück-
gezogen. Alle diese Vorzüge machen ihn zu einem unschätzbaren Lehrer unserer Anstalt
und ich glaube nicht zu weit zu gehen in seinem Lobe, wenn ich den frommen Wunsch
äussere, dass alle Lehrer unseres Landes die Eigenschaften Seebolds teilen möchten;
jedenfalls darf man unserem Vaterlande Glück wünschen, einen solchen Erwerb gemacht
zu haben und es wird in dieser Überzeugung die Unterzogene gewiss keine Fehlbitte
tun mit dem gehorsamsten Ansuchen, bei hohem Kollegium, Grossherz. Ministerium
des Inneren die Unwiderruflichkeitserklärung der Staatsanstellung desselben geneigtes!
veranlassen zu wollen.
Mannheim, den 13. Mai 1846.
Die Inspektion der höheren Bürgerschule zu Mannheim: Dr. Seitz.
Anlage 8.
Brief an den Verfasser. Mannheim, den 7. November 1913.
Hochgeehrter Herr!
Ihr Ausschreiben betreffend den seligen Herrn Professor Seebold las ich und
ist meine lebhafte Erinnerung an diesen herrlichen Mann, meinen teuersten Lehrer
in der damaligen Bürgerschule hier (1840—53) dadurch zu neuem Leben erwacht.
Leider kann ich Ihnen, geehrter Herr, nichts über Herrn Seebolds letzte Jahre
sagen, aber mein Gefühl kann ich nicht unterdrücken und möchte es zum Ausdrucke
bringen, wie ich den Prachtmenschen verehrte, und da es wohl denkbar, dass es
Ihnen Freude bereitet, so teile Ihnen mit:
1848 kam ich in die Bürgerschule mit neun Jahren. Ich glaube, dass Herr
Seebold erst 1849 in der dritten Klasse unser Lehrer wurde, und zwar in Turnen
und in Englisch. Trotz seiner schon vorgeschrittenen Jahre war er ein trefflicher
Turner; ich glaube, er war vorher in England. Seine Stimmung war wechselnd;
meistens trefflich, dann wieder, als ob er einen Kummer habe. Damals war bei vielen
Lehrern die „Stunde“ eine Qual, bei ihm eine Lust.
Die Art, wie wir „Englisch“ lernten, halte ich bis zur Stunde für die beste.
Einmal musste ich nachsitzen, von 12—1 Uhr. Kaum waren die Schüler fort, liess
er mich in seine Wohnung im vierten Stocke, Raupenzimmer der Schule, holen und
war es eine prächtige „Nachsitzestunde“ bei ihm, die ich heute noch in dankbarem
Gedächtniss habe.
Sie sehen: Sagen kann ich Ihnen nichts und muss daher wohl um Entschuldigung
bitten. Trotzdem aber fühle ich, das den Manen des Mannes gebührend auszusprechen,
wenn ein Schüler nach länger als 60 Jahren seiner noch in Liebe gedenkt.
Nach meiner Schulzeit fing das Erwerbsleben an, und ich weiss nichts mehr,
als dass er nach seiner Pensionierung noch länger lebte; in Berührung bin ich nicht
mehr mit ihm gekommen.
Ich zeichne mit vorzüglicher Hochachtung ergebens! Herrn. Löb-Stern.