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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 50.1929

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Henche, Albert: Die nassauische Politik zur Zeit des Reichsdeputationshauptschlusses
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https://doi.org/10.11588/diglit.62028#0203
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Die nassauische Politik zur Zeit des Reichsdeputationshauptschlusses. 197
Inzwischen hatte der Mainzer Kurfürst (20. 9.) auf des nassauischen Fürsten
Anzeige einer bevorstehenden Besetzung durch nassauische Truppen geantwortet.
Seine Antwort stellte einen Versuch zur Verzögerung dar, der umso auffallender
nach der Unterredung mit Marschall (5. 9.) ist, als hessische Truppen in Starken-
burg mit ihrer Besetzung mainzischen Gebietes ruhig und unbehindert fort-
gefahren hatten. Der Kurfürst schrieb, dass „betr. der Aemter, die Nassau er-
halten soll, sind in der russisch-französischen Deklaration mehrere dunklen
Stellen enthalten, wohin besonders auch jene gehören, worin Ew. Liebden Ent-
schädigungslande bestimmt worden sind“. Daher habe er die Minister der Ver-
mittelnden Mächte in Regensburg angefragt, „mir von denselben eine deutliche
Bestimmung und Anweisung zu verschaffen“.
Diese Auskunft bewog Marschall, Kruse zu ersuchen, dessen Zögerung
gewissermassen nun durch Mainz bestärkt wurde, eine sofortige Unterredung mit
Mathieu herbeizuführen. Jedoch kam diese nicht zustande, ohne dass wir einen
Grund vernehmen.
Gagern verurteilt diese Unterlassung Kruses unnachsichtlich. Er schreibt
an Marschall: „Wenn solche Absurditäten Kruses zu erweiteren Torheiten An-
lass geben und sie beschönigen sollen, so muss ich jenes Stillschweigen brechen,
das ich den Opinionen Kruses gegenüber seither bewahrt habe“. . . Gagern
bemängelt vor allem, dass Kruse sich durch Stimmungen und Reflexionen über
die Deklaration der Mächte von energischem Handeln abbringen lasse: „Der
Präsident von Kruse war nicht in Regensburg, um freundliche Gesichter zu
sehen, sondern um das Terrain zu verteidigen und zu erweitern“. Schliesslich
beklagt er sich noch über Kruses eigenmächtiges Vorgehen und seine Schweig-
samkeit. Die persönliche Privatkorrespondenz, die er mit dem Fürsten führen
möge, sei zur Erledigung der ernsten diplomatischen Geschäfte nicht ausreichend.
Vor allem hätte er in ständiger Verbindung mit ihm in Paris bleiben müssen:
„Warum sein Kurier nicht wenigstens ein Apercu seiner Verhandlungen ge-
bracht hat, expliciere ich nicht“. Er befände sich über die Regensburger Ver-
hältnisse dauernd im unklaren: „Ich wehre mich Schritt vor Schritt, bin aber
im Labyrinth“!
Gagern gibt bei dieser Gelegenheit wiederholt zu verstehen, dass neben
dem eigentlichen Gegner Nassaus (Hessen) auch „Mainz gefährlich“ sei.
Währenddem hatten die Verhandlungen der „Vermittelnden Mächte“ in-
folge der fortwährenden Einsprüche seitens der deutschen Fürsten eine Wendung
der Geschicke all jener Bittsteller herbeigeführt. Eine neue Deklaration hatte
die alte ergänzen müssen. Die Aufteilung des geistlichen Besitzes hatte zur
Befriedigung der zahlreichen Bittsteller und Anwärter auf Titel und Mittel weit-
aus nicht genügt. Um dem alten Plan einer Dreiteilung der deutschen Fürsten-
welt durchzuführen und dabei gegenüber Oesterreich und Preussen an mittel-
grossen west- und süddeutschen Staaten das Zünglein an der Wage der Reichs-
politik nach eignem Vorteil zum Ausschlag zu bringen, hatte Napoleon ge-
wünscht, ihm besonders wichtige Fürstenhäuser oder Länder noch reicher aus-
zustatten. Diesem Begehren mussten zunehmend kleinere weltliche Herrschaften,
besonders aber die reichsstädtischen und reichsritterschaftlichen Gebiete, geopfert
NASS. ANNALEN, Bd. L. (II. Heft). 13
 
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