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Siegel- und Wappenstudien
Bei (Bergnassau-) Scheuern war offenbar „schüren" (reizen) wegen des
Klanges maßgeblich und hat zu der Wolfsangel mit Seitenstab als Beizeichen
geführt. Sie hängt sonst in Sprunghöhe an einem starken Ast und lockt mit einem
Köder verblendet den Wolf an. Geht er hoch und beißt zu, dann durchbohrt ihm
die scharfe Spitze den Kopf und hält ihn schwebend, bis er buchstäblich qualvoll
verreckt, zwischen Himmel und Erde fest. Daher sind in einer ganzen Reihe von
Wappen mit verschiedensten Wolfseisen jeweils Sterne zur Andeutung der Luft
hinzugesetzt, z. B. bei Rüsselsheim/Main, nach einem Hruotpracht-Ruzilo einst
„Rucilesheim" genannt, aber bezogen auf „rüezel" (Rüssel, Schnauze), ferner
auch bei Mittelheim im Rheingau, wo der Haken diesmal in besonderer Weise als
„mittel", nämlich Hindernis19) zu verstehen ist, das Übergriffen wehrt und sie
blutig ahndet. Nicht nur Förster, sondern auch manche Schultheißen und Rent-
meister, denen Gebot und Verbot („biet") zustand, gebrauchten ein solches
Wolfseisen in ihrem Amtssiegel, wie es auch im Wappen der von Biedenfeld und
auf „bietsteinen" an Herrschaftsgrenzen erscheint, z. B. auf den 1756 erneuerten
Steinen am Höcherberg bei Homburg (Saarland), wo je eine Wolfsangel, auf der
Seite des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken einmal waagrecht, auf der der Graf-
schaft Nassau-Saarbrücken zweimal schräg durchstrichen, steht. Auf diese Art
entspricht der Doppelhaken in seiner Funktion durchaus der Warnungstafel, die
den Brecher des Burgfriedens mit Abhauen der Hand bedroht. Außerdem dürfte
auch das Korrekturzeichen _| , das für den Druck einen Absatz verlangt, davon
hergeleitet sein.
Recht mannigfaltig spiegelt sich überall in deutschen Landen, wo man etwa
Wolfseisen findet, ein grimmiger Humor wider, den wir nüchtern moderne
Menschen kaum zu erfassen vermögen. Die von Gagern, früher „Gawere" (auf
Rügen)20), haben dieses Fanggerät (Abb. 3) keineswegs als „sig-Rune" nach der
Vorstellung von B. Koerner oder, weil sie etwa „Waldgerechtsame" besaßen
nach Meinung von Otto Hupp21), angenommen und nach Nassau mitgebracht,
sondern weil „gaperen, gageren" unserem Gaukeln entspricht und das Eisen
tatsächlich am Ast im Winde hin- und herschwankt22). Das gleiche Zeichen ist im
Siegerland hei den von Achenbach, später danach „Heppe" beibenannt, ein Hin-
weis auf ihre Herkunft aus der Wüstung „Drubach", zu deren Mark das Dorf A.
früher gehörte23); denn „dru(ch)" ist das Fangeisen. Die Stadt Brieg in Schlesien,
1235 polnisch „Wisokebrzeg" (hohes Ufer), muß vor der Kürzung des Namens
von ihren deutschen Bürgern etwa „Witzebreg" ausgesprochen worden sein24).
19) Lexer: „mittel,. . .was trennend und hindernd in der mitte steht".
20) Münch. Kal. 1930. Vgl. auch Nass. Lebensbilder, IV 1950 S. 92—171.
21) Hupp, Schwarmg. III S. 56, obere Anm. Die dort genannten von Schledehausen-Sledesen in
Westfalen dachten an „sletzen" (schlitzen), und ebenso scheint mir der „bekreuzte Halbmond"
eine Wolfssense mit Stiel und Knebel zu sein, die in (Nieder-)Schlesien zuerst als selbständige
Figur auftritt (G. A. Seyler, Gesch. der Siegel, 1894 S. 256 Fig. 204) und später nach Art der
„Flügelspangen" dem Adler aufgelegt wurde, weil dies Bild augenscheinlich den polnischen
Landesnamen „Slezi" lautähnlich zu „slize" (den Rachen aufschlitzendes Werkzeug) verdeutschen
sollte.
22) Wolfseisen aller Art treffen wir von den Niederlanden bis in die Schweiz bei Namen ähnlichen
Anklangs: Gamper („gampen" = schwanken), Göcklingen („goekeln" = gaukeln), Gengel,
Gangler, Hieber, Hipper, Hoppingen, Noder, Nottelmanns, Notzer („notten" = sich hin- u. her-
bewegen), Schnell, Schnellingen, Vackler, Schneidewind, Windegg, Windhausen, Sturm u. a. m.
23) L. Bald, D. Fürstentum Nassau-Siegen, 1939 S. 325 u. 344. Von „drü(ch)" stammen auch die
von B. Koerner irrig als „Hakenkreuz" bezeichneten gekreuzten Wolfsangeln der Droege, die hei
Hupp (Schwarmg. III S. 65) nicht näher erklärt sind.
24) E. Kaiser, Deutsches Städtebuch, I 1939 S. 724 f. Den dort zitierten Aufsatz von K. Wutke
und F. Nieländer, Ursprung und Bedeutung des Brieger Stadtwappens (Zeitschr. f. Gesch. Schle-
siens 70/1936) konnte ich leider nicht vergleichen. •— Die Angabe der wahrscheinlichen Aussprache
verdanke ich dem Slawisten W. Fritze/Marburg. — - Eigentümlich hat zeitweise die Stadt Witzen-
hausen/Werra („Wezenhusen" 1231) ihr Gemerke „W" zugleich als derart ankerförmiges Wolfs-
eisen gestaltet, daß auf„wetzen" (scharf machen, reizen) paßt (M. v. L'Estocq, Hess. Landes- u.
Städtewappen, 1884 Taf. V Nr. 1, leider ohne genaue Zeit- u. Quellenangabe). Wolfseisen haben
entsprechend noch die Scholte von Wessele, Wesseler, Wessels u. Wessenauer.
Siegel- und Wappenstudien
Bei (Bergnassau-) Scheuern war offenbar „schüren" (reizen) wegen des
Klanges maßgeblich und hat zu der Wolfsangel mit Seitenstab als Beizeichen
geführt. Sie hängt sonst in Sprunghöhe an einem starken Ast und lockt mit einem
Köder verblendet den Wolf an. Geht er hoch und beißt zu, dann durchbohrt ihm
die scharfe Spitze den Kopf und hält ihn schwebend, bis er buchstäblich qualvoll
verreckt, zwischen Himmel und Erde fest. Daher sind in einer ganzen Reihe von
Wappen mit verschiedensten Wolfseisen jeweils Sterne zur Andeutung der Luft
hinzugesetzt, z. B. bei Rüsselsheim/Main, nach einem Hruotpracht-Ruzilo einst
„Rucilesheim" genannt, aber bezogen auf „rüezel" (Rüssel, Schnauze), ferner
auch bei Mittelheim im Rheingau, wo der Haken diesmal in besonderer Weise als
„mittel", nämlich Hindernis19) zu verstehen ist, das Übergriffen wehrt und sie
blutig ahndet. Nicht nur Förster, sondern auch manche Schultheißen und Rent-
meister, denen Gebot und Verbot („biet") zustand, gebrauchten ein solches
Wolfseisen in ihrem Amtssiegel, wie es auch im Wappen der von Biedenfeld und
auf „bietsteinen" an Herrschaftsgrenzen erscheint, z. B. auf den 1756 erneuerten
Steinen am Höcherberg bei Homburg (Saarland), wo je eine Wolfsangel, auf der
Seite des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken einmal waagrecht, auf der der Graf-
schaft Nassau-Saarbrücken zweimal schräg durchstrichen, steht. Auf diese Art
entspricht der Doppelhaken in seiner Funktion durchaus der Warnungstafel, die
den Brecher des Burgfriedens mit Abhauen der Hand bedroht. Außerdem dürfte
auch das Korrekturzeichen _| , das für den Druck einen Absatz verlangt, davon
hergeleitet sein.
Recht mannigfaltig spiegelt sich überall in deutschen Landen, wo man etwa
Wolfseisen findet, ein grimmiger Humor wider, den wir nüchtern moderne
Menschen kaum zu erfassen vermögen. Die von Gagern, früher „Gawere" (auf
Rügen)20), haben dieses Fanggerät (Abb. 3) keineswegs als „sig-Rune" nach der
Vorstellung von B. Koerner oder, weil sie etwa „Waldgerechtsame" besaßen
nach Meinung von Otto Hupp21), angenommen und nach Nassau mitgebracht,
sondern weil „gaperen, gageren" unserem Gaukeln entspricht und das Eisen
tatsächlich am Ast im Winde hin- und herschwankt22). Das gleiche Zeichen ist im
Siegerland hei den von Achenbach, später danach „Heppe" beibenannt, ein Hin-
weis auf ihre Herkunft aus der Wüstung „Drubach", zu deren Mark das Dorf A.
früher gehörte23); denn „dru(ch)" ist das Fangeisen. Die Stadt Brieg in Schlesien,
1235 polnisch „Wisokebrzeg" (hohes Ufer), muß vor der Kürzung des Namens
von ihren deutschen Bürgern etwa „Witzebreg" ausgesprochen worden sein24).
19) Lexer: „mittel,. . .was trennend und hindernd in der mitte steht".
20) Münch. Kal. 1930. Vgl. auch Nass. Lebensbilder, IV 1950 S. 92—171.
21) Hupp, Schwarmg. III S. 56, obere Anm. Die dort genannten von Schledehausen-Sledesen in
Westfalen dachten an „sletzen" (schlitzen), und ebenso scheint mir der „bekreuzte Halbmond"
eine Wolfssense mit Stiel und Knebel zu sein, die in (Nieder-)Schlesien zuerst als selbständige
Figur auftritt (G. A. Seyler, Gesch. der Siegel, 1894 S. 256 Fig. 204) und später nach Art der
„Flügelspangen" dem Adler aufgelegt wurde, weil dies Bild augenscheinlich den polnischen
Landesnamen „Slezi" lautähnlich zu „slize" (den Rachen aufschlitzendes Werkzeug) verdeutschen
sollte.
22) Wolfseisen aller Art treffen wir von den Niederlanden bis in die Schweiz bei Namen ähnlichen
Anklangs: Gamper („gampen" = schwanken), Göcklingen („goekeln" = gaukeln), Gengel,
Gangler, Hieber, Hipper, Hoppingen, Noder, Nottelmanns, Notzer („notten" = sich hin- u. her-
bewegen), Schnell, Schnellingen, Vackler, Schneidewind, Windegg, Windhausen, Sturm u. a. m.
23) L. Bald, D. Fürstentum Nassau-Siegen, 1939 S. 325 u. 344. Von „drü(ch)" stammen auch die
von B. Koerner irrig als „Hakenkreuz" bezeichneten gekreuzten Wolfsangeln der Droege, die hei
Hupp (Schwarmg. III S. 65) nicht näher erklärt sind.
24) E. Kaiser, Deutsches Städtebuch, I 1939 S. 724 f. Den dort zitierten Aufsatz von K. Wutke
und F. Nieländer, Ursprung und Bedeutung des Brieger Stadtwappens (Zeitschr. f. Gesch. Schle-
siens 70/1936) konnte ich leider nicht vergleichen. •— Die Angabe der wahrscheinlichen Aussprache
verdanke ich dem Slawisten W. Fritze/Marburg. — - Eigentümlich hat zeitweise die Stadt Witzen-
hausen/Werra („Wezenhusen" 1231) ihr Gemerke „W" zugleich als derart ankerförmiges Wolfs-
eisen gestaltet, daß auf„wetzen" (scharf machen, reizen) paßt (M. v. L'Estocq, Hess. Landes- u.
Städtewappen, 1884 Taf. V Nr. 1, leider ohne genaue Zeit- u. Quellenangabe). Wolfseisen haben
entsprechend noch die Scholte von Wessele, Wesseler, Wessels u. Wessenauer.