Romantische Baukunst in Nassau
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geschah so viel als möglich unter meiner speziellen Leitung, in welcher ich durch
einen meiner Eleven unterstützt wurde", schrieb Boos und bekundete damit den
Eifer, den er dieser kleinen, aber ersten Arbeit widmete. Der Bau wurde unter
seiner Leitung in den beiden folgenden Jahren noch erweitert und vervollständigt.
Er steht heute nicht mehr. Der Baumeister erhielt für seine Arbeit eine Grati-
fikation von 800 Gulden.
Im Jahre 1838 ging Boos als Sieger aus dem unter allen nassauischen Bau-
beamten ausgeschriebenen Wettbewerb zur Errichtung eines neuen Ministerial-
gebäudes in Wiesbaden hervor. So entstand in den Jahren 1838—1842 unter
seiner Leitung das Regierungsgebäude an der Ecke der Bahnhof- und Luisen-
straße, ein schlichter und wohlgegliederter Zweckbau im Stile italienischer
Renaissancepaläste in der Art der Bauten der Münchner Ludwigsstraße, wie sie
damals unter Friedrich von Gärtner im Entstehen begriffen waren. An dem in
den gleichen Jahren unter der Leitung des Darmstädter Georg Moller errichteten
Schloßbau war Boos nur mit einigen technischen Arbeiten beteiligt.
1840 wurde Boos technisches Mitglied für die Bauverwaltung bei der Landes-
regierung. 1842 wurde er zum Baurat mit einem Jahresgehalt von 1200 Gulden
ernannt. Sein Gehalt steigerte sich in der Folge bis zum Jahre 1863 auf 2300 Gul-
den. Dazu kamen jeweils noch die Gratifikationen für vollendete Bauten. So
erhielt Boos 1847 für das Ministerialgebäude 2000 Gulden. Zwischen 1842 und
1850 war Boos hauptsächlich mit Wasserbauten am Rhein und Main beschäftigt.
1844 machte er Reisen nach Mainz, Frankfurt und Köln, um die Hafenanlagen zu
studieren. Im November 1845 nahm er als nassauischer Bevollmächtigter an der
Konferenz der Mainuferstaaten zur Korrektion des Mains in Mainz teil. Die
Regulierung des Rheins von Biebrich bis Walluf und die Anlage des Sehiersteiner
Hafens waren die Frucht dieser Bemühungen.
Bald darauf fiel Boos eine größere und dankenswertere Aufgabe zu. Infolge
der Ereignisse des Jahres 1848 wurde der Erzherzog Stephan von Österreich8),
der bisher Palatin von Ungarn gewesen war, in die Verbannung geschickt. Als
Wohnsitz wurde ihm die von seiner Mutter ererbte Schaumburg bei Diez an
der Lahn angewiesen. Die Burg, die in ihrem Kern bis in das 12. Jahrhundert zu-
rückgellt, liat im Laufe ihrer Geschichte mannigfaltige bauliche Veränderungen
erfahren. So wurde noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts dem alten Schloß ein
drittes Stockwerk aufgesetzt9). Aber selbst dieser Erweiterungsbau konnte den
Bedürfnissen einer anspruchsvolleren Hofhaltung nicht mehr genügen. So ent-
schloß sich Erzherzog Stephan alsbald an seinem Verbannungsort, wohl auch um
die erzwungene Muße zu füllen, zu einem gänzlichen Neubau.
Stephan wollte die Bauausführung zunächst selbst in die Hand nehmen und
bediente sich dazu des Landbaunieisters Mertz aus Diez, der aber bald wieder
wegen Unfähigkeit entlassen werden mußte10). Auf der Suche nach einem besse-
ren Baumeister wurde dem Erzherzog von dem Landesherrn selbst, dem Herzog
Adolf, Karl Boos empfohlen. Im Frühjahr 1850 entwarf Boos die Pläne, so daß
noch im Sommer des gleichen Jahres die Grundsteinlegung erfolgen konnte. Wir
sind nun in der glückliehen Lage, genau die Vorbilder zu kennen, die Boos für
seine Entwürfe benutzt hat. Boos hat nämlich am 25. Apr. 1850 auf der Bibliothek
in Wiesbaden das Werk des Engländers Alexander Pugin "), „Examples of Gothic
8) [o. Verf.] Stephan Victor, Erzherzog von Österreich, Wiesb. 1868.
9) vgl. C. Weiler, Zur Baugeschichte der Schaumburg, in: Lahnzeitung, Diez 30. 10. 1939.
10) Mertz ist 1852 im Alter von 40 Jahren mit einem Drittel der Pension wegen Unfähigkeit ent-
lassen worden. Stephan bat Boos, sich für ihn zu verwenden, daß er beim Rechnungsfach unter-
komme, um so mehr, „weil er anfänglich für den Schaumburger Bau bestimmt war — nach und
nach aus Delikatesse selbst wegblieb, und nun doppelt leiden soll".
") Augustus Alex. Charles P. geb. 1762 in der Normandie, gest. 1832 in London. Sein Sohn Aug.
Welby Northmore besorgte nach dem Tode des Vaters die Herausgabe des letzten Bandes. Er
spielte eine hervorragende Rolle in der Bewegung zur Wiedererweckung der Gotik in England.
Neben zahlreichen Kirchen, Landhäusern, Klöstern und Schlössern ist ihm die Innenausstattung
des Londoner Parlamentshauses zu verdanken.
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geschah so viel als möglich unter meiner speziellen Leitung, in welcher ich durch
einen meiner Eleven unterstützt wurde", schrieb Boos und bekundete damit den
Eifer, den er dieser kleinen, aber ersten Arbeit widmete. Der Bau wurde unter
seiner Leitung in den beiden folgenden Jahren noch erweitert und vervollständigt.
Er steht heute nicht mehr. Der Baumeister erhielt für seine Arbeit eine Grati-
fikation von 800 Gulden.
Im Jahre 1838 ging Boos als Sieger aus dem unter allen nassauischen Bau-
beamten ausgeschriebenen Wettbewerb zur Errichtung eines neuen Ministerial-
gebäudes in Wiesbaden hervor. So entstand in den Jahren 1838—1842 unter
seiner Leitung das Regierungsgebäude an der Ecke der Bahnhof- und Luisen-
straße, ein schlichter und wohlgegliederter Zweckbau im Stile italienischer
Renaissancepaläste in der Art der Bauten der Münchner Ludwigsstraße, wie sie
damals unter Friedrich von Gärtner im Entstehen begriffen waren. An dem in
den gleichen Jahren unter der Leitung des Darmstädter Georg Moller errichteten
Schloßbau war Boos nur mit einigen technischen Arbeiten beteiligt.
1840 wurde Boos technisches Mitglied für die Bauverwaltung bei der Landes-
regierung. 1842 wurde er zum Baurat mit einem Jahresgehalt von 1200 Gulden
ernannt. Sein Gehalt steigerte sich in der Folge bis zum Jahre 1863 auf 2300 Gul-
den. Dazu kamen jeweils noch die Gratifikationen für vollendete Bauten. So
erhielt Boos 1847 für das Ministerialgebäude 2000 Gulden. Zwischen 1842 und
1850 war Boos hauptsächlich mit Wasserbauten am Rhein und Main beschäftigt.
1844 machte er Reisen nach Mainz, Frankfurt und Köln, um die Hafenanlagen zu
studieren. Im November 1845 nahm er als nassauischer Bevollmächtigter an der
Konferenz der Mainuferstaaten zur Korrektion des Mains in Mainz teil. Die
Regulierung des Rheins von Biebrich bis Walluf und die Anlage des Sehiersteiner
Hafens waren die Frucht dieser Bemühungen.
Bald darauf fiel Boos eine größere und dankenswertere Aufgabe zu. Infolge
der Ereignisse des Jahres 1848 wurde der Erzherzog Stephan von Österreich8),
der bisher Palatin von Ungarn gewesen war, in die Verbannung geschickt. Als
Wohnsitz wurde ihm die von seiner Mutter ererbte Schaumburg bei Diez an
der Lahn angewiesen. Die Burg, die in ihrem Kern bis in das 12. Jahrhundert zu-
rückgellt, liat im Laufe ihrer Geschichte mannigfaltige bauliche Veränderungen
erfahren. So wurde noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts dem alten Schloß ein
drittes Stockwerk aufgesetzt9). Aber selbst dieser Erweiterungsbau konnte den
Bedürfnissen einer anspruchsvolleren Hofhaltung nicht mehr genügen. So ent-
schloß sich Erzherzog Stephan alsbald an seinem Verbannungsort, wohl auch um
die erzwungene Muße zu füllen, zu einem gänzlichen Neubau.
Stephan wollte die Bauausführung zunächst selbst in die Hand nehmen und
bediente sich dazu des Landbaunieisters Mertz aus Diez, der aber bald wieder
wegen Unfähigkeit entlassen werden mußte10). Auf der Suche nach einem besse-
ren Baumeister wurde dem Erzherzog von dem Landesherrn selbst, dem Herzog
Adolf, Karl Boos empfohlen. Im Frühjahr 1850 entwarf Boos die Pläne, so daß
noch im Sommer des gleichen Jahres die Grundsteinlegung erfolgen konnte. Wir
sind nun in der glückliehen Lage, genau die Vorbilder zu kennen, die Boos für
seine Entwürfe benutzt hat. Boos hat nämlich am 25. Apr. 1850 auf der Bibliothek
in Wiesbaden das Werk des Engländers Alexander Pugin "), „Examples of Gothic
8) [o. Verf.] Stephan Victor, Erzherzog von Österreich, Wiesb. 1868.
9) vgl. C. Weiler, Zur Baugeschichte der Schaumburg, in: Lahnzeitung, Diez 30. 10. 1939.
10) Mertz ist 1852 im Alter von 40 Jahren mit einem Drittel der Pension wegen Unfähigkeit ent-
lassen worden. Stephan bat Boos, sich für ihn zu verwenden, daß er beim Rechnungsfach unter-
komme, um so mehr, „weil er anfänglich für den Schaumburger Bau bestimmt war — nach und
nach aus Delikatesse selbst wegblieb, und nun doppelt leiden soll".
") Augustus Alex. Charles P. geb. 1762 in der Normandie, gest. 1832 in London. Sein Sohn Aug.
Welby Northmore besorgte nach dem Tode des Vaters die Herausgabe des letzten Bandes. Er
spielte eine hervorragende Rolle in der Bewegung zur Wiedererweckung der Gotik in England.
Neben zahlreichen Kirchen, Landhäusern, Klöstern und Schlössern ist ihm die Innenausstattung
des Londoner Parlamentshauses zu verdanken.