Die A nfänge des Katzenelnbogener Grafenhauses
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In der ersten undatierten, aber zwischen 1066-—75 anzusetzenden Urkunde16)
verleiht Erzbischof Anno II. von Köln gemeinsam mit dem Siegburger Abt
Erpho dem Edlen Dietrich und dessen Gemahlin die lebenslängliche Nutzung des
abteilichen Gutes zu Sülz gegen deren Besitz zu Kirchscheid, den sie der Abtei
mit 30 namentlich genannten Hörigen übereignen. Diese Urkunde ist durch die
Art ihrer Beglaubigung in der sphragistisch-heraldischen Literatur bekannt ge-
worden, seitdem Ilgen das neben dem Siegel des Erzbischofs befindliche Chiro-
graph als das Hantgemal Diethers angesprochen und gegen alle Einwendungen
verteidigt hat17). Ein Jahr nach der letzten Behandlung dieser Urkunde durch
Ilgen erklärte Oppermann, daß die Echtheit der Urkunde nicht gegen jeden
Zweifel erhaben sei18), und versuchte später, sie entgegen der Ansicht Weises19)
in Verbindung mit anderen Urkunden auch aus inneren Gründen als Fälschung
wahrscheinlich zu machen20). Da er aber die Anfertigung dieser angeblichen
Fälschung schon in die Zeit um 1100 setzte und bereits in seinen „Kritischen
Studien" 21) einen der Sache nach einwandfreien Akt zugegeben hatte, den man
dann nachträglich unbefugterweise in Form einer Annoschen Urkunde zu be-
glaubigen unternommen habe, dürfte die Rechtshandlung selbst und damit
natürlich auch die Person, die sie vornahm, gesichert sein. Darauf kommt es aber
für unsere Zwecke an. Darüber hinaus werden die unten folgenden Erörterungen
über die Chirographierung dieser Urkunde weitere Argumente gegen den Fäl-
schungsverdacht Oppermanns beibringen.
In der zweiten uns hier angehenden Siegburger Urkunde von 1095/96 , be-
kundet Erzbischof Hermann von Köln, daß Heinrich und Diether, Söhne
Diethers d. Ä., dem Kloster Siegburg von ihren Erbgütern bei Lay einen Teil
ihres Salhofes mit sieben Mansen bei Lay, zu Niedertiefenbach, zu Hundsangen
und (vielleicht) zu Lieberg23) verkauft haben. Gleichzeitig übertrugen die Ver-
käufer dem Abt auch das Vergabungsrecht der auf diesem Allod errichteten
Kirche. Auch diese Urkunde hat Oppermann als Fälschung bezeichnet 24), jedoch,
was ihren Rechtsinhalt angeht, sicher zu Unrecht25). Denn dagegen sprechen,
abgesehen von der Übereinstimmung der topographischen 26) und genealogischen3)
16) Th. J. Lacomblet, UB für die Gesch. des Niederrhreins I (1840) 221. Das Datum bestimmt
sich einerseits durch die Bestätigung der Stiftung Siegburgs durch Papst Alexander II. vom
15. Mai 1066 (ebendort 206) und den Tod Eb. Annos am 4. Dez. 1075 andererseits.
17) Th. Ilgen, Zum Hantgemal (MIÖG 28 S. 561). Derselbe, Sphragistik (1912)2 S. 39, 52 (in
A. Meisters Grundriß I, 4). Ders., Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Wappen
(Korrespondenzbl. des Gesamtver. 69, 1921 Sp. 198/99).
18) Oppermann, Urkundenstudien S. 150.
19) Vgl. dazu die Abhandlung von E. Weise, Die Urkk. Eb. Annos II. von Köln für Kl. Siegburg
(Jb. des Köln. Geschichtsver. 13, 1931 S. 59 ff.) und: Zur Kritik der älteren Siegburger Urkk.
(ebendort 17, 1935 S. 192 ff.). Vgl. zu dieser Kontroverse neuerdings auch H. Büttner, Das Erz-
stift Mainz und die Klosterreform im 11. Jh. (Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. I, 1949 S. 42),
der hierin im Prinzip Weise beipflichtet und die übertriebene Kritik Oppermanns ablehnt.
20) 16. Jb. des Köln. Geschichtsver. (1934) S. 55. — 21) Westdt. Zs. 21 (1902) S. 65.
22) Günther, Cod. dipl. Rheno-Mosellanus II (1823) S. IV ff.
23) Die Bestimmung der Ortsnamen ist gesichert. Das Tiefenbach der Urkunde kann nicht auf
Nieder- oder Obertiefenbach nö. Nastätten bezogen, sondern nur mit Niedertiefenbach ö. Hadamar
gleichgesetzt werden. Hier sind katzenelnbogische Vogteirechte noch 1163 (K. Herquet, UB
des Prämonstratenserklosters Arnstein, 1883, 4) und 1259 (K. Rossel, UB der Abtei Eberbach im
Rheingau II 1865, 346) nachzuweisen. Da Niedertiefenbach somit gesichert ist, dürfte das Hundes-
zagel der Urkunde nicht wie Vogel 629 und A. Bach, Die Siedlungsnamen des Taunusgebiets
(1927) S. 102 meinen, auf Hunzel nö. Nastätten, sondern auf das Niedertiefenbach benachbarte
Hundsangen w. Hadamar zu beziehen sein, denn hierfür sprechen nicht nur topographische
Gründe, sondern vor allem auch der Umstand, daß Hundsangen ein St.- Goar-Patrozinium hatte,
worauf H. Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes (Marburger phil. Diss., noch maschinen-
schriftl.) §§ 41 und 44 zuerst hingewiesen hat. Dadurch erscheint Hundsangen mit St. Goar selbst
unmittelbar verknüpft und damit die Erklärung dafür gefunden zu sein, wie die Katzenelnbogener
zu Besitz in Hundsangen kamen. Eine sichere Auflösung der Ortsangabe Lukerge ist nicht möglich,
man müßte denn darin Lieberg wiederfinden wollen, einen katzenelnbogenschen Hof unweit
Hohenstein. — 24) Urkundenstudien 169.
25) So auch H. Gensicke §§ 41 und 44, der den Fälschungsverdacht aus anderen Gründen verwirft.
26) Vgl. dazu Anm. 23.
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In der ersten undatierten, aber zwischen 1066-—75 anzusetzenden Urkunde16)
verleiht Erzbischof Anno II. von Köln gemeinsam mit dem Siegburger Abt
Erpho dem Edlen Dietrich und dessen Gemahlin die lebenslängliche Nutzung des
abteilichen Gutes zu Sülz gegen deren Besitz zu Kirchscheid, den sie der Abtei
mit 30 namentlich genannten Hörigen übereignen. Diese Urkunde ist durch die
Art ihrer Beglaubigung in der sphragistisch-heraldischen Literatur bekannt ge-
worden, seitdem Ilgen das neben dem Siegel des Erzbischofs befindliche Chiro-
graph als das Hantgemal Diethers angesprochen und gegen alle Einwendungen
verteidigt hat17). Ein Jahr nach der letzten Behandlung dieser Urkunde durch
Ilgen erklärte Oppermann, daß die Echtheit der Urkunde nicht gegen jeden
Zweifel erhaben sei18), und versuchte später, sie entgegen der Ansicht Weises19)
in Verbindung mit anderen Urkunden auch aus inneren Gründen als Fälschung
wahrscheinlich zu machen20). Da er aber die Anfertigung dieser angeblichen
Fälschung schon in die Zeit um 1100 setzte und bereits in seinen „Kritischen
Studien" 21) einen der Sache nach einwandfreien Akt zugegeben hatte, den man
dann nachträglich unbefugterweise in Form einer Annoschen Urkunde zu be-
glaubigen unternommen habe, dürfte die Rechtshandlung selbst und damit
natürlich auch die Person, die sie vornahm, gesichert sein. Darauf kommt es aber
für unsere Zwecke an. Darüber hinaus werden die unten folgenden Erörterungen
über die Chirographierung dieser Urkunde weitere Argumente gegen den Fäl-
schungsverdacht Oppermanns beibringen.
In der zweiten uns hier angehenden Siegburger Urkunde von 1095/96 , be-
kundet Erzbischof Hermann von Köln, daß Heinrich und Diether, Söhne
Diethers d. Ä., dem Kloster Siegburg von ihren Erbgütern bei Lay einen Teil
ihres Salhofes mit sieben Mansen bei Lay, zu Niedertiefenbach, zu Hundsangen
und (vielleicht) zu Lieberg23) verkauft haben. Gleichzeitig übertrugen die Ver-
käufer dem Abt auch das Vergabungsrecht der auf diesem Allod errichteten
Kirche. Auch diese Urkunde hat Oppermann als Fälschung bezeichnet 24), jedoch,
was ihren Rechtsinhalt angeht, sicher zu Unrecht25). Denn dagegen sprechen,
abgesehen von der Übereinstimmung der topographischen 26) und genealogischen3)
16) Th. J. Lacomblet, UB für die Gesch. des Niederrhreins I (1840) 221. Das Datum bestimmt
sich einerseits durch die Bestätigung der Stiftung Siegburgs durch Papst Alexander II. vom
15. Mai 1066 (ebendort 206) und den Tod Eb. Annos am 4. Dez. 1075 andererseits.
17) Th. Ilgen, Zum Hantgemal (MIÖG 28 S. 561). Derselbe, Sphragistik (1912)2 S. 39, 52 (in
A. Meisters Grundriß I, 4). Ders., Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Wappen
(Korrespondenzbl. des Gesamtver. 69, 1921 Sp. 198/99).
18) Oppermann, Urkundenstudien S. 150.
19) Vgl. dazu die Abhandlung von E. Weise, Die Urkk. Eb. Annos II. von Köln für Kl. Siegburg
(Jb. des Köln. Geschichtsver. 13, 1931 S. 59 ff.) und: Zur Kritik der älteren Siegburger Urkk.
(ebendort 17, 1935 S. 192 ff.). Vgl. zu dieser Kontroverse neuerdings auch H. Büttner, Das Erz-
stift Mainz und die Klosterreform im 11. Jh. (Archiv für mittelrhein. Kirchengesch. I, 1949 S. 42),
der hierin im Prinzip Weise beipflichtet und die übertriebene Kritik Oppermanns ablehnt.
20) 16. Jb. des Köln. Geschichtsver. (1934) S. 55. — 21) Westdt. Zs. 21 (1902) S. 65.
22) Günther, Cod. dipl. Rheno-Mosellanus II (1823) S. IV ff.
23) Die Bestimmung der Ortsnamen ist gesichert. Das Tiefenbach der Urkunde kann nicht auf
Nieder- oder Obertiefenbach nö. Nastätten bezogen, sondern nur mit Niedertiefenbach ö. Hadamar
gleichgesetzt werden. Hier sind katzenelnbogische Vogteirechte noch 1163 (K. Herquet, UB
des Prämonstratenserklosters Arnstein, 1883, 4) und 1259 (K. Rossel, UB der Abtei Eberbach im
Rheingau II 1865, 346) nachzuweisen. Da Niedertiefenbach somit gesichert ist, dürfte das Hundes-
zagel der Urkunde nicht wie Vogel 629 und A. Bach, Die Siedlungsnamen des Taunusgebiets
(1927) S. 102 meinen, auf Hunzel nö. Nastätten, sondern auf das Niedertiefenbach benachbarte
Hundsangen w. Hadamar zu beziehen sein, denn hierfür sprechen nicht nur topographische
Gründe, sondern vor allem auch der Umstand, daß Hundsangen ein St.- Goar-Patrozinium hatte,
worauf H. Gensicke, Landesgeschichte des Westerwaldes (Marburger phil. Diss., noch maschinen-
schriftl.) §§ 41 und 44 zuerst hingewiesen hat. Dadurch erscheint Hundsangen mit St. Goar selbst
unmittelbar verknüpft und damit die Erklärung dafür gefunden zu sein, wie die Katzenelnbogener
zu Besitz in Hundsangen kamen. Eine sichere Auflösung der Ortsangabe Lukerge ist nicht möglich,
man müßte denn darin Lieberg wiederfinden wollen, einen katzenelnbogenschen Hof unweit
Hohenstein. — 24) Urkundenstudien 169.
25) So auch H. Gensicke §§ 41 und 44, der den Fälschungsverdacht aus anderen Gründen verwirft.
26) Vgl. dazu Anm. 23.
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