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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 63.1952

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Siegel- und Wappenstudien
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Renkhoff, Otto: Zur Siegel- und Wappenfrage der Stadt Siegen
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https://doi.org/10.11588/diglit.62672#0326
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306 Siegel- und Wappenstudien

Daß dieses Gerichtssiegel seit dem 16. Jahrhundertsich zum Stadtsiegel entwickelt,
besser: als Stadtsiegel gilt, entspricht durchaus der Entwicklung in Städten mittlerer
Bedeutung. Um Beispiele nur aus dem Gebiet der Grafen von Nassau zu nennen: Im
nahegelegenen Herborn wie in Wiesbaden werden die städtischen Siegel durch das
Gerichtssiegel, das man dann auch Stadtsiegel nennt, verdrängt, hier zu Beginn des
17. Jahrhunderts, dort bereits 1485. Diese Entwicklung hat sich mit dem wachsenden
Einfluß des Landesherrn, der die Selbstverwaltung einzuschränken sucht, angebahnt.
Vielerorts ist es gar nicht erst zu einer Trennung von Gericht und Verwaltung gekom-
men, so daß beide Funktionen von einer einzigen Körperschaft, Gericht oder Rat genannt,
ausgeübt wurden — so in Weilburg, Idstein, Usingen, Haiger, Walsdorf, wo jeweils
die „Stadtsiegel", oft als Schöffen- oder Gerichtssiegel bezeichnet, durch alle Zeiten
hindurch für Justiz- wie Kommunalangelegenheiten verwendet werden.
1807 wird von einem kleineren „Siegel", das neben dem obengenannten Schöffen-
siegel bestand, berichtet. Es enthielt nur die Buchstaben SSS, hatte keine Umschrift
und muß recht klein gewesen sein, wenn es, wie der Bericht sagt, noch kleiner war als
das Schöffensiegel. Es ist kein Zufall, daß, wie G. feststellt, kein Abdruck bekannt ist.
Denn — ganz offensichthch handelt es sich nicht um ein Siegel, sondern um einen
Schlag- oder Brennstempel, der wie vielerorten zur Kenntlichmachung städtischen
Eigentums verwendet wurde8). Er bietet, wie G. mit Recht betont, das Wappen der
Stadt. Die drei S im Schild fand G. auf Stadtfahnen von 17379) und 1754 — ein Bericht
von 1789 kennt 2 Fahnen „mit dem Wappen der Stadt" —-, ferner auf einem städtischen
Maß und einer Truhe aus der Mitte des 18. Jahrhunderts sowie auf den von den Zünften
ausgestellten städtischen Arbeitszeugnissen. Damit ist das Nebeneinander von Wappen
und Siegel5) auch für Siegen erwiesen. Erst im 19. Jahrhundert finden, wie G. naeh-
weist, die Wappenzeichen der Stadt Aufnahme in die städtischen Siegel in der Weise,
daß in geteiltem Siegelfeld oben wachsend der Bischof, unten die drei S dargestellt
sind9); übrigens wird dieses Siegelbild vom Siebmacher als „Wappen" gebracht. 1882
wird dann auf das Bild des alten Siegels zurückgegriffen. Was die Stadt heute als
Wappen führt — beantragt 1911, genehmigt 1919 —, ist eben dies alte Siegelbild, in
einen Schild gesetzt und mit Farben versehen; und auch hier ist es nur zu bedauern,
daß man das eigentliche Wappen der Stadt vergessen und — in Unkenntnis der jetzt
von G. aufgezeigten Zusammenhänge — wie so oft das Siegelbild fälschlicherweise zum
städtischen Wappen erklärt hat. — Die in den drei S liegende Abkürzung wird von dem
Bericht des Jahres 1807 in „Sigillum scabinorum Siegenensium" aufgelöst, G. vermutet
u. a. „Senatus" für das zweite S; das erste möchte ich eher als „Signum" im Sinne von
Wahrzeichen verstehen. Näher zu hegen aber scheint mir die Deutung als dreifach
gesetztes „Siegen". Der Anfangsbuchstabe des Ortsnamens ist gerade als Gemerke, als
Wappenzeichen, beliebt, und die Dreizahl des Symbols wird besonders häufig gewählt;
das gleiche dreifache S zeigt das Wappen von Staffelstein, der oberfränkischen Stadt10),
und Adolf von Breithardt z. B., der kurmainzische Kanzler des 15. Jahrhunderts, ge-
braucht sein Zeichen, das gekrönte A, wie es in der Legende eines seiner Siegel steht,
in dreifacher Setzung im Schild als Wappen11).
Bestrickend ist Güthlings These über das Alter des ersten Siegels und die Deutung
des Bischofs. Er sieht nämlich in diesem — entgegen der üblichen Meinung — nicht den
Kölner Erzbischof, sondern — wie der genannte Bericht von 1807 und H. v. Achen-
bach — St. Martin, den Siegener Kirchenpatron, und glaubt demnach die Entstehung
des Siegels über das Jahr 1224, in dem sich Köln und Nassau in die Hälfte der Rechte
an die Stadt teilen, ja vor 1221 zurückdatieren zu müssen, da der Nassauer Schild ohne
Schindeln oder geschachten Bord nach 1220 nicht mehr vorkommt, auch die in Stil und
Umschrift liegenden Eigenheiten ein höheres Alter vermuten lassen und da ferner die
beiden Partner, wenn überhaupt, so gleichberechtigt und in gleichartiger Darstellung
— entweder beide mit ihren Porträts oder beide mit ihren Symbolen — im Siegel er-
scheinen müßten. Die These ist vielleicht doch zu kühn. Das sei im Folgenden begründet.
1. Die stilistischen Eigenheiten (ovale Form und Stilisierung) des Siegels müssen
keineswegs für die Zeit vor 1248 sprechen.
2. Dasselbe gilt von der Umschrift + SIGILLVM • BVRGENSIUM • 0 P PIDVM •
IN • SEGEN, deren Rechtsbegriffe in den älteren, die Stadt und ihre Bürger benen-
nenden Urkunden meist ebenso vorkommen: opidum 1224, 1255 und 1259, burgenses

8) vgl. 0. Renkhoff: Nass. Ann. 61. Bd. 1950 S. 118. — 9) Abb. bei Güthhng.

10) J. Siebmachers gr. u. allg. Wappenbuch, I. Bd. 4. Abt. (Städtewappen) Tf. 14.

") K. Köster: Nass. Lebensbilder III 1948, Tf. n. S. 76.
 
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