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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 63.1952

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Literaturbesprechung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62672#0351
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Literaturbesprechung

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die sich um Wetzlar sicher, um Limburg vielleicht mit Trierer Missionsbestrebungen im nördlichen
Nassau kreuzte. Durchaus überzeugend ist das Ergebnis, daß im Mainzer Vorland am Main und
in der Wetterau christliches Leben und kirchliche Organisation zu Beginn des 8. Jh. auch auf dem
Lande bereits bestand. Besonders wertvoll ist dabei der Hinweis auf die bisher fast unbeachtete
Nachricht beim Geograph von Ravenna, die im 5. Jh. das Flußgebiet der Lahn und der Nidda als
„in patria Francorum" gelegen bezeichnet. Auch für die aus dem Trierer Raum ins nördliche
Nassau wirkende Mission ergeben sich neue Gesichtspunkte. Während sich in der Spätantike der
Bereich des Mainzer Bistums mit der Germania prima deckte, muß schon im 5. Jh. von Trier aus
die Mainzer Bistumsgrenze zurückgedrängt worden sein. Schon Bischof Severus von Trier im
5. Jh. hat in der Germania prima Mission getrieben. Auch die im 6. Jh. um Trier bezeugte ver-
stärkte Missionstätigkeit mag bereits über den Moselraum hinaus gewirkt haben. In jene Zeit ist
wohl St. Goar zu setzen. Gegen die überholte überkritische Beurteilung der Goarvita ist die erste
Erwähnung Goars als Glaubensboten im Kalendar Willibrords 705 ins Feld geführt. So wird man
entsprechend den vom Verfasser erschlossenen Verhältnissen im Mainzer Vorfeld am Main auch
im Lahngebiet künftig die Ausbreitung des Christentums früher als Weirich ansetzen dürfen.
Auf breiter Grundlage behandelt H. Becker in einer gründlichen Studie die Wallfahrtskirche
in Wirzenborn. Seiner Darstellung der mittelalterlichen Marienverehrung auf dem Westerwald und
der mittelalterlichen Marienwallfahrten im Ostteil der Trierer Diözese wird man kaum noch
Einzelzüge hinzufügen können. Bei den allgemeinen Ausführungen wäre vielleicht noch auf die
große Bedeutung der Wallfahrt aus diesem Raum nach St. Elisabeth zu Marburg hinzuweisen
gewesen. Auch die Marienverehrung in Montabaur hätte über den Hinweis (S. 189) auf die ältere
Arbeit des Verfassers in: 1000 Jahre Montabaur (1930) S. 98 f. eine neue Darstellung verdient,
zumal nach Dehio-Gall, Südl. Hessen (1950) S. 223 die Montabaurer Steinstatue, die Luthmer
noch ins 15. Jh. setzte, bereits aus der Mitte des 14. Jh. stammt und der entscheidende Anstoß
zur Wirzenborner Wallfahrt von Montabaur ausgegangen ist. Kurz vor 1497 setzte die Wallfahrt
nach dem Gnadenbild in Wirzenborn ein. Erzbischof Johann II. von Baden (1456—1506), ein
besonderer Förderer der Marienverehrung, förderte den Bau der Kapelle Wirzenborn beim Dörf-
chen Wirzental, das im 16. Jh. von dieser den Namen übernahm. An Händ bisher unbeachteter
Quellen, insbesondere der ältesten Rechnungen der Kapelle, deren heutigen Lageort Verfasser
nicht nennt, schildert der Verfasser die Entstehung der Wallfahrt und die Erbauung der Kapelle
1498 bis 1510, die Wallfahrt im 17. u. 18. Jh., den Niedergang der Wallfahrt und deren Wieder-
belebung ab 1890. Für die Herkunft des Gnadenbildes darf ich eine Vermutung äußern: Die aus
dem Ende des 14. Jh. stammende feine Statue hat ohne Zweifel vorher bereits in einer anderen
Kirche oder Kapelle gestanden, ehe sie kurz vor 1497 nach Wirzenborn gebracht wurde. Einen
Fingerzeig, noch keinen schlüssigen Beweis, geben uns die Beziehungen einiger Personen, die dem
Kapellenbau nahestanden. Werner Hundt aus Montabaur, damals Pfarrer von Montabaur (1491
bis 1498), seit 1475 Stiftsherr zu Gemünden, war 1481 zugleich Landdechant des Dekanats Diet-
kirchen, als Abt Johann von Laach ihm die Leitung des in Verfall geratenen Klosters Sehgenstatt
bei Seck übertrug. Wenn wir auch in jenem Benediktinerinnenkloster B. Mariae V. 1219 und
St. Peter 1478, dessen Kirche dem hl. Nikolaus geweiht war, nur einen Katharinenaltar und keinen
Marienaltar nachweisen können, liegt die Vermutung doch sehr nahe, daß der Pfarrer von Monta-
baur aus der Kirche des Klosters, das er bis zu seinem Tod am 5. 3. 1499 zugleich verwaltete und
das 1499 völlig verlassen war (St.A. Wiesb. Abt. 85, Urk.; Vogel, Archiv f. nass. Kirchen- u.
Gelehrtengesch. I S. 76—96), jenes Marienbild entnommen und ihm in seiner Pfarrei einen neuen
Platz der Verehrung geschaffen hat. Erhärtet wird diese Vermutung wohl auch dadurch noch, daß
der Herr jenes westerburgischen Familienklosters Reinhard Graf zu Leiningen-Westerburg (1464
bis 1522) damals gleichzeitig, von 1492—1504 nachweisbar, Amtmann zu Montabaur war, so daß
auch von dieser Seite ein derartiges Vorhaben nur Förderung zu erwarten hatte. Für die quellen-
arme Zeit des 17. Jh. seien noch zwei ergänzende Hinweise gegeben: auf ein Legat der Frau des
Stadtschreibers Michel Waldorff zu Montabaur für die Kapelle zu Wirzenborn 1633 (Stadtarch.
Montabaur, Urk.) und eine Nachricht über die „Andacht" zu Wirzenborn in einem Brief des
Stadtschultheißen Hachenburg zu Montabaur vom 27. 9. 1687 (Gfl.-Walderdorf. Archiv Molsberg,
I Neuroth). In einem Exkurs über den Isenburger Hof „Geiersberg" bei Wirzenborn beseitigt der
Verfasser den fest eingewurzelten Irrtum von der Erbauung der Kapelle durch den Deutschorden
und von Wappen „polnischer Adelsgeschlechter" an der Decke des Chores. Erst 1671 hat der
Deutschorden diesen Hof erworben, an dessen Stelle 1951 ein frühmittelalterlicher Herrensitz des
10.—13. Jh. der Herren v. Isenburg ausgegraben wurde. Im Anhang wird der in der Musikge-
schichte bekannte „Codex Wirzenbornensis", ein Missale der 2. Hälfte des I3. Jh., behandelt.
Dieser Codex war im 14. Jh. dem Stift St. Florin in Koblenz von dessen Vikar Werner von
Weltersburg geschenkt worden. Über die jenem Stift inkorporierte Pfarrei Montabaur ist er wohl
nach Wirzenborn gekommen, wo er um 1880 aufgefunden wurde.
 
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