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Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung [Editor]
Nassauische Annalen: Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung — 75.1964

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Schell, Günther: Die römische Besiedlung von Rheingau und Wetterau: eine historisch-geographische Untersuchung
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https://doi.org/10.11588/diglit.70355#0029
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Die römische Besiedlung von Rheingau und Wetterau 13
dadurch begünstigt wurde, daß die nachrückenden Germanen nicht die ver-
streuten römischen Siedlungsplätze in Anspruch nahmen, sondern sich in dorf-
artigen Gemeinschaften niederließen. Daher konnte im Laufe der letzten 100
Jahre im Main-Taunusvorland und in der Wetterau eine recht stattliche Zahl
dieser Höfe ausgegraben werden, die als „villae rusticae“ oder auch nur als
„Villen“ im wirtschaftlichen Sinn bezeichnet werden. Die Formen der ländlichen
Ansiedlungen erscheinen um so einfacher, je weiter man sich von den militärisch
gesicherten Mittelpunkten des römischen Lebensraumes entfernt und dabei der
Grenze des damaligen Reiches nähert. Es ist also natürlich, daß wir unter der
älteren und auch bedeutend länger andauernden römischen Herrschaft auf
linksrheinischem Gebiet die landwirtschaftlichen Ansiedlungen vielfach reicher
entwickelt antreffen als auf der gegenüber liegenden Rheinseite und in der Nähe
der damaligen Grenze. Dies macht sich hauptsächlich in der Innenausstattung
der einzelnen Villen bemerkbar, die oft in keiner Weise mit dem vielfach fest-
gestellten Luxus der linksrheinischen Häuser vergleichbar ist.
Die bisher ganz oder teilweise ausgegrabenen römischen Höfe des Rheingaus
und der Wetterau lassen sich an Hand der so gewonnenen Ergebnisse in ver-
schiedene Villengruppen einteilen, die gewisse Rückschlüsse auf die Größe des
Resitzes und die soziale Stellung der Bewohner zulassen. Aus der Vielzahl der
bekannt gewordenen Gutshöfe kann man nämlich eine Reihe verschiedener,
immer wiederkehrender Typen herausstellen. Diese sind aber jeweils nur durch
die Fundamente zu bestimmen, denn lediglich der unterste Teil der Bauten ist
heute noch „in situ“ vorhanden; in seltenen Fällen reichen die Funde bis zu
einigen wenigen Schichten des darüber beginnenden aufgehenden Mauerwerks.
Die Typologie der villae rusticae muß sich demnach ausschließlich auf die vor-
gefundenen Grundrisse der einzelnen Baulichkeiten stützen.
Die in der älteren Literatur aufgeführten Typen der römischen Villen weichen
in der Unterschiedlichkeit ihrer äußeren Konstruktion und in der inneren Ein-
teilung teilweise stark voneinander ab. So erwähnt K. Swoboda beispielsweise
die peristylen Villen und die Porticusvilla als typische Vertreter der Gutshöfe
im römischen Germanien. Während der peristyle Villentypus mit dem von einer
Säulenhalle umgebenen Hofraum im Rheingau und in der Wetterau unbekannt
ist, kann die Villa von Dortelweil (Kr. Friedberg), die auf dem „Weilerberg“
ausgegraben wurde, vielleicht als Muster einer Porticusanlage mit langgestreck-
tem Säulengang dienen9). F. Hettner unterscheidet ebenfalls zwei Arten:
1. die quadratische oder annähernd quadratische Form der Villa, in deren Mitte sich
ein großer Hof befindet, der wiederum auf vier Seiten von Wohn- und Wirtschafts-
räumen umschlossen ist;
2. die langgezogene rechteckige Gestalt des Hauses, die einen zusammenhängenden
Komplex von Wohn- und Wirtschaftsräumen unabhängig von dem außerhalb
gelegenen Hof bildet10).
Bei K. Schumacher werden die Gutshöfe in drei verschiedene Gruppen
eingegliedert11):
1. ein kleinbäuerlicher Typus, der „am deutlichsten in den Veteranengütchen am
Limes in Erscheinung tritt“;
2. der normale Gutsbof, als dessen Muster die Villa von Praunheim (Kr. Frankfurt)
betrachtet wird, die in ihrer Ausstattung weitaus komfortabler ist als die klein-
bäuerlichen Anlagen;
3. die Luxusvillen, die jedoch in dem vonmir bearbeiteten Gebiet nicht in Erscheinung
treten.
G. Kropatschek führt zum einen die Luxusvilla als gesonderten Bautypus
an, faßt aber die restlichen Arten von Gutshöfen alle als „Normaltyp der Villa“
zusammen.12)
9) Swoboda. —- 10) Hettner S. 15. — u) Schumacher 1923 S. 193. —- 12) Kropatschek S. 54.
 
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