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Künstler-Gesellschaft Zürich [Editor]
Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich — 43.1883

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Melchior Paul von Deschwanden
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https://doi.org/10.11588/diglit.43105#0042
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werden wünschte. Er erfasste diesen Beruf mit Ernst, arbeitete mit Eifer an seiner künstlerischen
Ausbildung und es fehlte ihm anfänglich nicht am festen Willen, jeweilen das Beste zu geben, was eine
reiche Phantasie und leichte Hand zu seiner Verfügung stellte. Da trat mit den massenhaften Aufträgen
der Vierzigerjahre die Versuchung zur Schnellmalerei an ihn heran, die er als Künstler hätte zurück-
weisen sollen, der er abei’ als Prediger eines Wortes, das so empfängliche Hörer fand, nicht zu wider-
stehen vermochte. Ja, er gab sogar mit Beginn der Fünfzigerjahre das lohnende und stets mit aus-
gezeichnetem Erfolg betriebene Portraitfach auf, um dem Beruf eines Kirchenmalers um so ungestörter
folgen zu können, und verzichtete so leider auch auf das mit dem Portrait von selbst verbundene Natur-
studium, dessen Vernachlässigung ihm nachher oft und nicht mit Unrecht von ernsten Künstlern zum
Vorwurf gemacht worden ist. Wir haben oben gehört, wie es ihm am Herzen lag, jene Masse unkirch-
licher Kirchenbilder zu verdrängen, welche zur Zeit des Verfalls der Malerei im vorigen Jahrhundert
von Virtuosen vierten und fünften Ranges über die Altäre und an die Decken hingepinselt worden waren,
wo sie das Auge und die Andacht störten und verwirrten statt zur Sammlung und zu frommen Ge-
danken anzuregen. Je mehr solcher Bilder er zu ersetzen berufen wurde, desto mehr glaubte er sich
für rasches Arbeiten entschuldigt, und bei dem harmlosen Gemüth des Malers hatten die Herren Geist-
lichen und Kirchenbaukommissionen leichtes Spiel, ihm das Versprechen neuer Bilder um einen sog.
« Gottslohn » abzulocken, sobald sie mit solchen Argumenten in’s Treffen rückten. Ein guter Theil des
dem Maler gewidmeten Tadels darf unbedingt auf die Besteller abgeladen werden, die ihn dann oft noch
mit allerlei wunderlichen Vorschriften betreffend die Ausführung quälten. Wie manche Einladung zu
Primizen und dergleichen Feierlichkeiten erhielt er überdiess, um « en passant» diess und jenes Bild
in der Kirche zu übermalen, zu firnissen u. s. w. 1 Wie wenig übrigens der Meister sich selbst voran-
stellte und hochmüthig auf die Leistungen von Frühem und Spätem herabsah, geht aus den Worten
hervor, die er einst an den Abt von Einsiedeln schrieb, als das grosse Chorbild einer Umgestaltung
unterzogen werden sollte: « Jetzt zerstöre und corrigire ich manche Werke anderer, aber ich hoffe und
freue mich darauf, dass andere kommen und auch mein Werk durch Besseres wieder verdrängen werden.
Diese Gedanken entmuthigen mich keineswegs, sondern ich fahre freudig und muthig zu und thue was
ich kann, was wenigstens zur Vorbereitung einer bessern Zeit gehört und was in meinen Kräften liegt».
Künstler, die mit Aufrichtigkeit so sprechen, sind gewiss selten.
Mit ganz gleicher Harmlosigkeit erlaubte sich Deschwanden in seiner spätem Zeit, aus fremden
Compositionen, die ihm etwa unter die Hände kamen, frischweg Figuren herauszugreifen und in seine
Bilder hineinzusetzen, ohne auch nur eine Idee zu haben, dass er sich einen nicht unbedenklichen Eingriff
in fremdes Eigenthum damit zu Schulden kommen lasse1). Alle religiöse Kunst sollte nach seiner Ueber-
zeugung zur Erbauung des Volkes dienen, und wenn er also mit Benützung der glücklichen Idee eines andern
diesen Zweck in vermehrtem Masse erreichen zu können glaubte, so sah er keinen Grund, warum sich
der also Beraubte dessen nicht selbst freuen sollte. Was er selbst hatte, theilte er eben so dienstwillig
Andern aus, hatte links und rechts dilettirende Freunde und Freundinnen, denen er seine Bilder und
Zeichnungen auf Monate zum Copiren lieh und von denjenigen seiner Schüler, welchen eigenes Com-
positionstalent nicht verliehen war, wurden seine Arbeiten in grosser Zahl für Kirchen und Kapellen,

]) Vgl. das zur Hälfte französische, zur Hälfte Deschwanden’sclie Bild in der Schule zu Herisau.
 
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