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Nelson, Samuel [VerfasserIn]; Panzer, Georg Wolfgang [ÜbersetzerIn] [Hrsg.]; Walther, Wolfgang [Verlag] [Hrsg.]
Samuel Nelsons der heiligen Schrift Doctors antideistische Bibel das ist die heilige Schrift des alten und neuen Testaments: mit Anmerkungen und Erklärungen erläutert wodurch die schweren Stellen entwickelt, die unrechten Uebersetzungen verbessert, und die in dem Worte der Wahrheit vorkommenden Scheinwidersprüche mit einander vereiniget sind (1. Theil): welcher das erste Buch Mose enthält — Erlangen, 1766 [VD18 90783271]

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https://doi.org/10.11588/diglit.49034#0163
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Das erste Buch Mose.

Cap. H/ 4- 95

den Httlimel reiche (69). Der Kaiser
Julian machet diese Stelle ans dem Grunde
lächerlich, weil cs unmöglich ist/ ein Gebäude
aufzuführcn / dessen Spitze bis an den Him-
mel reichte. Allein er würde wohl keine Ursa-
che zur Spötterei) gehabt haben, wenn er be-

dacht hatte/ daß dieses nur ein hebräischer
Idiotismus sey/ und daß mit diesem Ausdruck
nicht mehr/ als ein erstaunlich hoher Thurm
angezeiget werde. Einige Ausleger geben die-
sen Worten einen andern Verstand / und mei«-
nen/ die Erbauung eines Thurms bis an den
Him-

(69) Ehe wir die Zweifel berühren/ welche bey Gelegenheit der mosaischen Nachricht
von der Unternehmung der Nachkommen Noah in dem Lande Sinear, aufgeworfen zu wer-
den pflegen/ wollen wir kürzlich unsere Gedanken von dieser Sache überhaupt entdecken.
Nichts scheinet sonderbarer zu seyn, als daß diese Leute'/ die bisher vermuthlich in schlechten
Hütten zu wohnen pflegten/ auf einmal auf den Einfall kommen/ nicht nur eine Stadt/ son-
dern auch ein so grosses Gebäude aufzuführen / dessen Spitze bis an den Himmel reichen soll-
te. Allein dieses kommt mir lange nicht so bedenklich vor/ als dieses/ daß sie Gott/ auf
eine so wunderbare Art/ an der Ausführung ihres Vorhabens gehindert habe. Wenn ich
auch nicht in die Zeiten vor der Sundflut zurücke gehen will/ sondern blos auf das sehe,
was in der Folge der Zeit geschehen ist/ wie viele Städte'/ wie viele prächtige und stolze Ge-
bäude haben die Menschen nicht nach der Zeit aufgeführct? Und wie wenig hat sie Gott dar-
an gehindert/ wenn sie ihm auch gleich/ wie zum Beyspiel die prächtigen Götzentempel/ offen-
bar zur Unehre gereichten? Warum hat er denn eben diesen Leuten/ solche Hindernisse in
den Weg geleget/ die sie nöthigten/ auf einmal von ihrem Vorhaben abzulassen? Saget man,
er habe ihren Hochmut bestrafen wollen/ so kann man antworten/ daß Gott in der Folge,
unzehlige Werke der Menschen hätte rückgängig machen müssen. Giebt man vor, daß sie
ans Mißtrauen, weil sie an der Verheissung Gottes, daß er die Welt mit keiner Sündflut
mehr verderben wolle'/ zweifelten. Liefen Thurm erbauet, und also Gott damit zum Zorn gereitzet
hatten / so trauet man ihnen eine grosse Einfalt zu, massen sie ia so klug würden gewesen
seyN/ ihr Gebäude nicht in einem Thal aufzuführen. Daß sie den Vorsatz sollen gehabt ha-
ben, den Himmel zu besteigen und Gott zu bestürmen, ist gar nicht wahrscheinlich. Eben so
wenig ist es zu glauben, daß dieser Thurm ein Denkmal gewesen sey, das sie aus Dank-
barkeit der Sonne zu Ehren hätten aufrichten wollen. Ich nehme also, um das Verfahren
Gottes gegen sie zu rechtfertigen, an, daß sie ihn, durch Ungehorsam, gleichsam genöthi-
get haben, zu diesem sonderbaren Mittel zu greiffen, um sie zu zwingen, von ihrem Vorneh-
men abzulassen/ und sich nach seinem weisen Rath zu bequemen. Einmal hatte er die Welt
zur Wohnung für die Menschen zubereitet. Sie sollte nicht leer stehen, sondern überall be-
völkert werden. Von einem Blute sollten aller Menschen Geschlechte, auf dem ganzen
Erdboden wohnen. Sein Wille war cs/ daß sie sich freywillig von einander trennen,
und nicht erst in der Folge der Zeit, einander mit Gewalt verdrängen sollten; welches ganz
gewiß würde geschehen seyn, wenn sie immer beysammen geblieben waren. Hatte er ihnen
diesen seinen Willen auch nicht durch den Noah ausdrücklich kund machen lassen: so hätten
sie 'aus eigener Ueberlegung auf diesen Gedanken kommen, und den Nutzen ihrer Absondernng
von einander einsehen können; wiewohl mir das erstere, daß sie einen ausdrücklichen Befehl
von Gott dazu bekomm-en haben, wahrscheinlicher zu seyn dünket. Aber eben das wollten sie
nicht thun. Da sie nur eine Sprache redeten, so hielten sie sich gleichsam nur für eine eini-
ge Familie, die beständig beysammen bleiben müsse. Und da sie voraussahen, daß sie doch
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