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Das erste Buch Mose. Cap. 4/ 2
gebahr abermal seinen Bruder, den Abel; und Abel war ein
kommen überzeuget gewesen zu seyn, daß dieser
Sohn der verheissene Saame sey, welcher der
Schlange den Kopf zerbrechen sollte, daß sie
bey seiner Geburt, in einer freudigen Entzü-
ckung ausrief: ich habe einen Mann von
dem Herrn empfangen. Sie nennte ihn
deswegen auch Cain, welches Wort so viel be-
deutet, als eine Erwerbung, oder den Besitz.
Sie dachte es aber wohl nicht, daß derselbe kein
Schafhirt, Cain aber
i war
Erlöser, sondern eirstMördcr werden, und ihr vie-
le Sorge und Kümmernisse verursachen würde.
V. 2. Seinen Bruder Abel. Das
Wort Abel bedeutet Eitelkeit. Mit diesem
Namen wollte Eva, nach einiger Meinung,
die geringe Achtung anzeigen, die sie für ihn,
in Vergleichung mit ihrem crstgebohrnen Sohn
hatte. Allein es scheinet natürlicher zu seyn,
daß ihm dieser Name erst nach seiner Ermor-
dung
Elende trösten würde. Allein, wenn ich überlege, daß sie alsdann, wenn sie ihren erstge-
bohrnen Sohn, für den Meßias gehalten hatte, in einer ganz irrigen Meinung mäste gestan-
den seyn, massen ihr ia derselbe, als der Weibessaame, der ohne Zuthun eines Mannes ge-
bohren werden sollte, verkündiget worden war; wenn ich ferner bedenke, daß unsern ersten
Eltern, ohne Zweifel durch eine ausserordentliche Offenbarung Gottes, das erste Evangelium
zur Gnüge erkläret, und ihnen wenigstens so viel kund gemacht worden sey, daß in der Person
des Meßias kein Irrthum Vorgehen konnte: so trage ich Bedenken, die obige Auslegung für
die beste zu halten. Wollte man sie aber dennoch gelten lassen, so könnte man vielleicht da-
her die Ursache erklären, warum Eva ihren zweyten Sohn, den Namen Abel, Eitelkeit bey-
geleget. Sie war etwa, bis zur Geburt ihres zweyten Sohnes eines bessern belehret wor-
den, und wollte also mit diesem Namen anzeigen, daß nicht nur ihre Meinung, die sie von
ihrem ersten Sohne gehabt, betrüglich gewesen, sondern daß überhaupt ihre Hoffnung,
die sie vielleicht mochte gehabt haben, den Meßias doch noch zu gebühren, eitel sey. Doch
dieses ist nur eine Muthmaffung. Unterdessen bleibet doch wohl so viel richtig, daß Eva mit
dem Namen, den sie ihrem ersten Sohn beygeleget, habe zu verstehen geben wollen, wie sie
durch die Geburt eines Sohnes, sich im Glauben der empfangenen Verheissung, nicht wenig
gestärket finde, und die Hoffnung sich mache, daß aus ihren Nachkommen künftig der Gott-
mensch, und Heiland der Welt seinen Ursprung, nach dem Fleisch, haben werde. Fraget man
übrigens, was denn die Eva, wenn sie den Meßias nicht in Gedanken gehabt, sonst damit
habe sagen wollen: so ist das so leicht nicht zu beantworten. Vielleicht möchte es aber doch
nicht ganz unrecht seyn, wenn man sagte, sie habe damit ihre Verwunderung über die Geburt
eines völligen Menschen aus ihr, dergleichen zuvor nie geschehen war, zu Tage legen wollen, und
gesagt: ich habe ein Männlein vom Herrn, es ist ein recht göttliches Werk, daß ein Mensch
in Mutterleibe gebildet wird; welches auch David erkannte, wenn er spricht: Du wärest
über mir in Mutterleibs. Ich danke dir darüber, daß ich st wunderbarlich ge-
macht bin. Ps. iZy, iz. 14.
V. 2. Die Mosaische Nachricht von den Beschäftigungen der beyden Söhne Adams,
ist der Beschaffenheit der ersten Zeiten vollkommen gemäs. Denn damals, da der Menschen
Nahrung noch ganz einfach war, da noch keine Künste erfunden waren, begnügten sie sich mit
dem, was die Erde hcrvorbrachte, und das Vieh ihnen gab. Und noch Letzt, sind diese zwey
Stücke die nötigsten unter allen Lebensarten, und der Grund aller übrigen Künste und Hand-
werke. Im Vorbeygrhcn müssen wir hier eines sehr seichten Einwurfes gedenken, der aus
dieser
Das erste Buch Mose. Cap. 4/ 2
gebahr abermal seinen Bruder, den Abel; und Abel war ein
kommen überzeuget gewesen zu seyn, daß dieser
Sohn der verheissene Saame sey, welcher der
Schlange den Kopf zerbrechen sollte, daß sie
bey seiner Geburt, in einer freudigen Entzü-
ckung ausrief: ich habe einen Mann von
dem Herrn empfangen. Sie nennte ihn
deswegen auch Cain, welches Wort so viel be-
deutet, als eine Erwerbung, oder den Besitz.
Sie dachte es aber wohl nicht, daß derselbe kein
Schafhirt, Cain aber
i war
Erlöser, sondern eirstMördcr werden, und ihr vie-
le Sorge und Kümmernisse verursachen würde.
V. 2. Seinen Bruder Abel. Das
Wort Abel bedeutet Eitelkeit. Mit diesem
Namen wollte Eva, nach einiger Meinung,
die geringe Achtung anzeigen, die sie für ihn,
in Vergleichung mit ihrem crstgebohrnen Sohn
hatte. Allein es scheinet natürlicher zu seyn,
daß ihm dieser Name erst nach seiner Ermor-
dung
Elende trösten würde. Allein, wenn ich überlege, daß sie alsdann, wenn sie ihren erstge-
bohrnen Sohn, für den Meßias gehalten hatte, in einer ganz irrigen Meinung mäste gestan-
den seyn, massen ihr ia derselbe, als der Weibessaame, der ohne Zuthun eines Mannes ge-
bohren werden sollte, verkündiget worden war; wenn ich ferner bedenke, daß unsern ersten
Eltern, ohne Zweifel durch eine ausserordentliche Offenbarung Gottes, das erste Evangelium
zur Gnüge erkläret, und ihnen wenigstens so viel kund gemacht worden sey, daß in der Person
des Meßias kein Irrthum Vorgehen konnte: so trage ich Bedenken, die obige Auslegung für
die beste zu halten. Wollte man sie aber dennoch gelten lassen, so könnte man vielleicht da-
her die Ursache erklären, warum Eva ihren zweyten Sohn, den Namen Abel, Eitelkeit bey-
geleget. Sie war etwa, bis zur Geburt ihres zweyten Sohnes eines bessern belehret wor-
den, und wollte also mit diesem Namen anzeigen, daß nicht nur ihre Meinung, die sie von
ihrem ersten Sohne gehabt, betrüglich gewesen, sondern daß überhaupt ihre Hoffnung,
die sie vielleicht mochte gehabt haben, den Meßias doch noch zu gebühren, eitel sey. Doch
dieses ist nur eine Muthmaffung. Unterdessen bleibet doch wohl so viel richtig, daß Eva mit
dem Namen, den sie ihrem ersten Sohn beygeleget, habe zu verstehen geben wollen, wie sie
durch die Geburt eines Sohnes, sich im Glauben der empfangenen Verheissung, nicht wenig
gestärket finde, und die Hoffnung sich mache, daß aus ihren Nachkommen künftig der Gott-
mensch, und Heiland der Welt seinen Ursprung, nach dem Fleisch, haben werde. Fraget man
übrigens, was denn die Eva, wenn sie den Meßias nicht in Gedanken gehabt, sonst damit
habe sagen wollen: so ist das so leicht nicht zu beantworten. Vielleicht möchte es aber doch
nicht ganz unrecht seyn, wenn man sagte, sie habe damit ihre Verwunderung über die Geburt
eines völligen Menschen aus ihr, dergleichen zuvor nie geschehen war, zu Tage legen wollen, und
gesagt: ich habe ein Männlein vom Herrn, es ist ein recht göttliches Werk, daß ein Mensch
in Mutterleibe gebildet wird; welches auch David erkannte, wenn er spricht: Du wärest
über mir in Mutterleibs. Ich danke dir darüber, daß ich st wunderbarlich ge-
macht bin. Ps. iZy, iz. 14.
V. 2. Die Mosaische Nachricht von den Beschäftigungen der beyden Söhne Adams,
ist der Beschaffenheit der ersten Zeiten vollkommen gemäs. Denn damals, da der Menschen
Nahrung noch ganz einfach war, da noch keine Künste erfunden waren, begnügten sie sich mit
dem, was die Erde hcrvorbrachte, und das Vieh ihnen gab. Und noch Letzt, sind diese zwey
Stücke die nötigsten unter allen Lebensarten, und der Grund aller übrigen Künste und Hand-
werke. Im Vorbeygrhcn müssen wir hier eines sehr seichten Einwurfes gedenken, der aus
dieser