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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 2.1928

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Karsen, Fritz: Die Kunst in unserer Schule
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Gerhards, Karl: Das Werk der Maria Montessori
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https://doi.org/10.11588/diglit.17441#0307

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künftlerifchen und den verfchiedenen theoretifchen Gebieten; denn auch auf
diefen legten geben wir den Schülern ja nicht mehr fertige Kenntniffe, ge-
prägte Formen, fondern Angriffspunkte für ihre vorhandene Begabung und
die beften Möglichkeiten, fie in Wechfelwirkung mit ihren Kameraden lebens-
gemäfj zu betätigen. Unter diefen Möglichkeiten freilich Pteht das Können
und die Perfönlichkeit des Lehrers an erfter Stelle.

DAS WERK DER MARIA MONTESSORI

Von Karl Gerhards, Aachen

Weit abfeits vom Hauptbetrieb offizieller Pädagogik, in der helfenden Hin-
gabe an die geiftig Ärmften ift Maria Monteffori auf den Weg ihres Werkes
gelangt. Wohl hatten fchon vor ihr, feit den Tagen der franzöfifchen Revolu-
tion, ein paar kühne und geduldige Männer jenen Weg entdeckt und be-
fchritten; und der lerjte von ihnen hatte am Ende feines Lebens auch fchon
das neue Land erfchaut, das fern in der Richtung des Weges lag. Aber
diefe Männer waren verfchollen: erff die Frau, die ihnen folgte, hat den
Zugang zum neuen Lande wirklich erobert.

Um die Mitte der neunziger Jahre arbeitete Monteffori als junge Affiftenz- Ausgangspunkt und Vorarbeit

ärztin an der Nervenklinik und in den Irrenhäufern zu Rom. Vor allem galt
ihre Fürforge den Kindern — fchwachfinnigen und idiotifchen Kindern, die
dort mit untergebracht waren. Nicht nur als Ärztin, fondern auch menfchlich-
erzieherifch wollte fie ihnen helfen, und fo begann fie neben ihrer klinifchen
Arbeit ein gründliches Studium der bisherigen Schwachfinnspädagogik. Vor
allem feffelte fie ein älteres grofjes Werk des franzöfifchen Lehrers und Arztes
Seguin, der, feinerfeits an bedeutende Vorgänger anknüpfend, fein ganzes
Leben der Erziehung Schwachfinniger gewidmet hafte. Sie vertiefte fich in
die lange Reihe feiner Beobachtungen, Verfuche und Lernmittel, fie erkann-
te, wie er dabei ftets auf die feelifche Erweckung feiner Kinder ausgegangen
war, und begann felbft in feinem Sinne zu arbeiten. Die Öffentlichkeit wurde
auf fie aufmerkfam, und 1898 berief man fie zur Leitung einer ftaatlichen
Schule in Rom, die Lehrer zur Beobachtung und Erziehung Schwachfinniger
heranbilden follte. Monteffori ging vorerft nach Frankreich, um dort die
Auswirkung der Seguinfchen Gedanken in der Praxis zu ftudieren. Sie fand
zwar noch feine Lernmittel in Gebrauch, aber feinen Geift tot und die Lehrer
entmutigt. Seguin felbft war um die Mitte des Jahrhunderts nach Amerika
ausgewandert und hatte dort nach weiterer zwanzigjähriger Arbeit fein Werk
nochmals in englifcher Sprache herausgegeben. Nirgends, auch nicht in
London war diefes Werk aufzutreiben. Monteffori fah, dafj Seguin in ganz
Europa noch nicht verftanden worden war. Um fo zielbewußter ging fie nun
in ihrer Schule zu Rom felbft ans Werk. Der Schule war eine Kinderanftalt an-
gegliedert, und hier prüfte fie mit ihren Mitarbeitern in unabläffiger Hingabe

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