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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 3.1929

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Vanoli, ...: Die Neuordnung der Keramik: um die neue Gestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.17291#0164

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UM DIE NEUE GESTALTUNG

DIE NEUORIENTIERUNG DER KERAMIK grabene Tone, meift unbekannter und wechfelnder Zulammen-
!m allererften Anfang fchon war der Ton. Der primitive Menfch [erjung, werden roh vorverarbeitet und auf der Scheibe in Einzel-
fand bildfamen, plattifchen Lehm; er entdeckte in (ich die Freude Kücken vom Dreher geformt. Jedes Stück ift individuell und bis zu
am Kneten, er formte kleine Gefäße, formte Tierleiber, Mentchen- einem gewiffen Grade zufällig, (owohl nach Form, als auch Zu-
köpfe und Götterfymbole. Und entdeckte einmal die Fähigkeit (ammenfeßung: der künftlerifche Reiz der Töpfereien. Vom Mate-
des Tones im Feuer zu erhärten und dabei widerltandsfähig gegen rial- und Gebrauchsttandpunkt aus lind diefe Dinge minderwer-
Waffer zu werden: die erfte Keramik. tig. („Kunftkeramik" fucht dies meift dadurch zu verbergen, dar) fie
Jahrtaufende hindurch blieb diefe Erkenntnis die Grundlage aller einen wertlofen Scherben mit einer undurchlichtigen bunten Glafur
Keramik. Wefentliches wurde durch die manuellen Vervollkomm- überzieht). Der Scherben bleibt im Brand porös und weich; er
nungen des Verfahrens, die Konffruktion der Töpferdrehfeheibe „klingt" nicht. Die Glafur tißt als Wefensfremdes, als fpröde Glas-
- einer primitiven Mafchine, wie fie noch heute fowohl der Neger, fchicht auf weichem Untergrund. Scherben und Glafur haben zu
als auch unfer Bauerntöpfer benüßt die Technik des Glafierens, (tark variierende Ausdehnungskoeffizienten: die Glafur reißt nach
zur Abdichtung des Scherbens und die Bemalung mit färben- kurzer Zeit und fpringt ab, der poröfe Ton trilt zu Tage. Die Glafur
den Metalloxyden nicht geändert. felbft wird meift im Brand erft aus Aufgüffen von Bleiverbindungen
Zu Ende des vergangenen Jahrhunderts begannen von der auf dem rohen Ton oberflächlich gebildet. Der Töpferbrand um-
Glas- und Porzellaninduftrie herkommend Wiffenfchaftler auch faßt in einem zwei große Phafen der Umbildung: das Hartbrennen-
die technifchen Probleme der Keramik zu erforfchen. Ihre Reful- Austreiben des im Ton chemifch gebundenen Waffers bei Rotglut
täte, die außer einer Klärung der Strukturverhältniffe auch neue und die Bildung eines einfachen Bleiglafes aus der aufgeftrichenen
technifche und künftlerifche Möglichkeiten erfchloffen, wurden Bleiverbindung und (aus dem Ton ftammender) Kiefelfäure.
von der Induftrie übernommen; fie drangen nicht bis zum Töpfer Die I nd u ftri e typifiert.DieTöpferfcheibedientnur mehrderModell-
durch. Die Kluft zwifchen Induftrie und Töpfer wächft ftündlich; die formung, nach einer vom Künftler entworfenen Werkzeichnung.
Induftrie erdrückt den Töpfer. Das Modell wird in Hohlformen umgefeßt vervielfältigt. Die Ton-
Diefer Vorgang erinnert bei näherer Beobachtung ftark an die matten (ind genau kontrollierte Gemenge von gleichmäßig zu-
Umwälzung in der modernen Architektur, die mitbedingt ift durch fammengefeßten Tonen, Verdichtungs- und Magerungsmitteln
ihre Betonfechnik und Eifenkonftruktion. Das technifche Verfahren (Feldfpat, Kiefelfäure etc.), durch chemifche Agenzien zu Gieß-
allgemein beeinflußt in weitem Maße die Gefamterfcheinungsform maffen verflüffigt. Diefe Gießmaffen ermöglichen die Herstellung
eines Werkes. Etwas, was man bei der Betrachtung der Keramik dünnwandiger Gefäße, die auf der Töpfertcheibe nicht herstellbar
als künttlerifcher Formung noch zu wenig berücktichtigt. Dort liegen waren. Ihre Zufammenfeßung ift (o gehalten, daß tie bei einer
die Verhältnilfe etwa fo: beftimmten Temperatur (dem Schmelzpunkt der Glafur) dicht-
Die Töpferei arbeitet konfervativ mit der alten Töpfertcheibe. Ge- brennen, einen der Glafur wefensverwandteren Scherben er-

EUGEN VANOLI, Frankfurt. Töpfereien. Foto Berendt & Grieshaber

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