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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 3.1929

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Schmidt, Georg: Der Bilderschauer und der Bilderbewahrer
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https://doi.org/10.11588/diglit.17291#0196
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NEUGESTALTUNG DER MUSEEN

Perfpektivifcher Schnitt durch den Galeriebau aus dem Wettbewerbs-
entwurf Artaria & Schmidt für das neue Kunftmufeum in Bafel

DER BILDERBESCHAUER UND DER BILDER;
BEWAHRER

der Mufeumsbefucher und der Mufeumsleiter: ihrer beider Be-
dürfniffe erft einmal zu vernehmen und dann zu befriedigen
das ift wohl das erfte und vielleicht auch ausfchliehliche Ziel eines
Mufeumsbaus.

Die Bedürfniffe des M u fe u m s be f u ch e rs heihen : jedes
einzelne Bild und die zufammengehörigen Gruppen von Bildern
möglichft leicht und in möglichft günftigem Licht anfchauen zu
können. Und die Bedürfniffe des M u fe u m s I ei te rs: die
vorhandenen Beftände und den Zuwachs in der Anordnung
präfentieren zu können, wie es den Bedürfniffen des Befchauers
entfpricht.

Wie befriedigen die begehenden Galerien Europas
diele Bedürfniffe?

Wir können zwei Mufeumstypen unterfcheiden: den e i n ä (t i g e n
Bau (Alte Pinakothek) und den vieläftigen Bau (Louvre etc.).
Der einäftige hat gegenüber dem vieläftigen für den Befucher den
entfcheidenden Vorteil der leichten Orientierung. Nichts ilt beim
Befuch eines Mufeums peinlicher, als bei der normalerweife knapp
bemeffenen Zeit fich vor jeder Abzweigung fragen zu mülfen: war
ich da fchon drin? Das Raumlyftem eines Mufeums follte, ohne
ftändige Konfultation des Grundriffes im Baedecker, dem Belucher
während des ganzen Befuches gegenwärtig fein. Hervorragend
klar ift in diefer Hinficht die Alte Pinakothek mit ihrer einäftigen
Saalfolge: der Hinweg vollzieht fich normalerweife durch die gro-
ßen Oberlichtfäle, der Rückweg durch die kleinen Seitenlicht-
kabinetfe. Diefer klare Weg wird jedoch auch bei der alten Pina-
kothek geftört ganz hinten, von dem obligatorifchen, Pendant zum

[ymmetrifchen Kopfbau, durch das der Befucher in zwei Sackgaffen
gezwungen wird. Faft [ämtliche anderen Galerien find dem ge-
genüber jedoch wahre Irrgärten! Fragen wir nach dem Grund, fo
erhalten wir die fehr eindeutige Antwort: wegen des Schemas des
klalfifchen Hofgrundriffes!

Die Alte Pinakothek ilt aber noch in einem anderen Punkt vor-
bildlich: dafj fie den Eingang an den Kopf legt und nicht
an den klaffifchen Nabel, wie es die meiften Mufeen tun! Ein
Mitteleingang lieht ja von aurjen ganz großartig aus, aber gleich
hinter dem Tor fteht der Befucher wie Buridans Efel da: rechts
find Räume, links find Räume ... I

Damit hört aber die Vorbildlichkeit der Alten Pinakothek auf: in
allem Weiteren teilt (ie die Nachteile der beltehenden Galerien
und Mufeen Europas.

Zählen wir diefe Nachteile und deren Behebungsmöglichkeit der
Reihe nach auf:

A. Die Oberlichtfäle.

1. Nachteilefürdas Bilderbelchauen.
Der Befucher betritt einen Saal. Selbltverftändlich wie ein Fürft in
der Mitte! Als Rechtshänder beginnt er rechts, als Linkshänder
links den Wänden entlang zu gehen. Wenn er die eine Seite des
Saales gefehen hat fo fteht er eigentlich vor dem Eingang zum
nächften Saal! Will er die andere Hälfte noch fehen, fo mufj er
wieder zum Eingang zurück. Aus diefer peinlichen Situation gibt
es einen bequemen, vielbegangenen Ausweg: den Saal in der

Ausfrellungsraum im neuen Kunftgewerbemufeum Winterthur

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