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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 4.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.17292#0105

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STANDARDHÄUSER IM 17. JAHRHUNDERT

„Die Wohnhäufer in der Stadt (Moskau) find aus Holz gebaut . . .
die Dächer mit Holzfchindeln gedeckt . . ■ daher die mächtigen
Brände. Diejenigen, deren Häuler abgebrannt lind, können (ich
neue verlchaffen: Außerhalb der Stadtmauer (tehen auf einem be-
fonderen Markt mehrere zum Aufbau fertige Häufer zur Anficht
bereit. Man kann fie billig kauten und auf einem anderen Bauplaf)
fertigffellen. Der obengenannte Häufermarkt befindet (ich in dem
Stadtteil . . ., das gekaufte Haus kann in zwei Tagen in einem
anderen Stadtteil fix und fertig geliefert werden. Die Balken find
Ichon abgepafjt, und es i(t nur noch nötig, die Fugen mit Moos
auszufüllen . . ." A. Olearius. 1636 „Reife nach Moskauvium".
Aus: El Lissifjky, Die Rekonftruktion der Architektur in der Sowjet-Union
Band I der Sammlung „Neues Bauen in der Welt." Herausgegeben von
J. Gantner. Verlag A. Schroll u. Cie., Wien 1930.

FLACHDÄCHER IM 18. JAHRHUNDERT

Datj durch alle Steildachjahrhunderte unlerer nordifchen Hiltorie
doch auch immer fchon das Flachdach fpukfe, wi((en wir. Daf) hin
und wieder (ogar zwilchen den Rivalen gekämpft wurde, i(t zu-
mindeft intereffant zu hören. Dal) dies aber mit genau den gleichen
Argumenten wie heute gefchehen ilt, das beweift, daf) die bekannte
„Lift der Idee" zuweilen auch Humor hat. Taucht da plötjlich ein
Schriftchen auf, in dem ein Soziologe vom Beginn des 18. Jahr-
hunderts die Vorteile des Flachdachs - Altan nennt er es — mit
Eifer und Elan verficht gegen die Hüter der Steildachordnung,
wobei er Argumente beibringt, die wörtlich heute in den Polemiken
für und wider das Flachdach zu lefen find. Paul Jakob Marperger
heifjt der Treffliche, ein gebürtiger Nürnberger, der in Berlin wirkte
und dann als königlich polnifcher und kurfächlifcher Kammer- und
Kommerzienrat nach Dresden berufen wird. Dorf liefert ihm der
Hofmechanikus Gärtner das Prototyp, für das er einfritt. Und
temperamentvoll legt er los, fo temperamentvoll, dafj man glaubt,
es ginge um „Weifjenhof" anno 1928 und nicht um „Altanen" in
Dresden und Utopien anno 1724. (Damals fchälte (ich eben Bährs
Frauenkirche aus den Gerüften und am Zwinger arbeiteten Pöp-
pelmann und Permofer!) Marperger wappnet fich mit Belegen aus
der Bibel, fchlägf dann aber den Bogen der Begründung kühn ins
Sozial-Praktifche hinüber, wo man denn einige recht amüfante
„Beweife für die Fürtrefflichkeit der flachen Bedachung 2" findet.
Erfparnis ift natürlich ein Haupttrumpf diefes Jüngers des Merkan-
tilismus. Aber man muf) ihm laffen, dafy fein Hinweis auf Rhyth-
mifierung des Stadtbildes durch eingefchobene Flachdächer ein
durchaus plaufibles „äfthetifches” Argument darftellt. Bei feiner
Entkräftung der Gegenargumente glaubt man tatfächlich im heu-
tigen Tageskampf zu ftehen, nur daf) nicht durchklingt, ob auch

die Politik damals in (o jämmerlich dämlicher Weile in den Kampf
hereinbezogen wurde wie heute. Ganz befonders lefenswert ift die
(olide fechnifche Anweifung zur Flachbedachung, eine Anweifung
an der nicht nur die Teerfabrikanten ihre Freude haben werden.
Man muf) das Schriftchen lefen zur Verdauung aktueller Pole-
miken! Der Finder Dr. Friedrich Bock, der es in feiner Nürnberger
Stadtbibliothek aufgeftöbert hat, gibt es gemeinfam mit dem Kunft-
hifforiker Georg Guftav Wiefjner neu heraus. Es erfcheint als erftes
Bändchen einer „Schriftenreihe für moderne Probleme: Der Keil"
(Verlag Ernft Frommann und Sohn, Nürnberg), die in Nürnberger
Provinzluft einigen frifchen Wind blalen will. Diefes erfte Bändchen
tufs. Vivant sequentes. Oskar Schürer

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