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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 4.1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.17292#0106

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BEMERKUNGEN

Neue Zeit — neue Mufeen!

Ende Januar hat das Minifterium des Freiftaates Heften befchloffen,
das heffifche Gewerbemuleum in Darmftadt bis auf die
Bibliothek und die wertvollften Stücke a u fz u I ö (e n. Diefer Be-
(chluß itt eine logitche Folge der heutigen Situation. Bekanntlich
tind die Gewerbemufeen in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts
mit der ausgetprochenen Abficht gegründet worden, durch eine
Sammlung guter alter Stücke dem zeitgenöftitchen Handwerk An-
regungen zu vermitteln. Damit itt es heute nichts mehr. Und wer
an den Umtchwung nicht glaubt, der möge fich etwa durch einen
Betuch in dem Frankfurter Kunftgewerbemuteum überzeugen,
welche Grabesttille heute um diele tchönen Koftbarkeiten herrfcht.
In den gleichen Tagen hat der internationale Verband für Woh-
nungswelen auf Initiative von Oberbürgermeifter Landmann und
Stadtrat May befchloffen, ein Internationales Wohnungs-
und Baumufeum in Frankfurt a. M. ins Leben zu rufen.
Uber diefes Inftifuf, feine Arbeit und (eine Ziele, wird im „Neuen
Frankfurt" noch ausführlich berichtet werden. Es nimmt feinen Aus-
gangspunkt folgerichtig an einem der brennendften Probleme
unterer Zeit, und wenn es ihm gelingt, auch alle Fragen wirtfchaft-
licher und fozialer Art, alle Teile der Wohnungsausftattung und
der für fie arbeitenden Induftrie in [einen Bereich einzufchließen,
dann wird in ihm nicht zuleßt jenes „Mufeum der Gegenwart"
wenigftens teilweife Geftalt annehmen, für welches in diefer Zeit-
fchrift mehrmals plädiert worden ift.

Die „Volkskunit" lebt. Und das Volk!

Die Öffentlichkeit kennt wohl fchon zur Genüge die fkandalöfe
Art, in welcher der Völkerbund die Angelegenheit des großen
Wettbewerbes für (einen eigenen Palaft durchgeführt hat. Leider
zeigt (ich nun immer deutlicher, dafj diefe Organifation, welche
feit zehn Jahren die riefigen Beiträge von über 50 Mitgliedftaaten
ruhig auffchluckt, in allen kulturellen Fragen von einer geradezu
rührenden Ahnungslofigkeit und Rückftändigkeit ift. Der frühere
franzöfifche Unterrichtsminifter de Monzie hat neulich in einem
Vortrag in Frankfurt einige erheiternde Details aus der Arbeit der
vom Völkerbund mit fo vielem Tamtam ins Leben gerufenen
„Internationalen Kommiffion für geiftige Zufammenarbeit" erzählt,

Links: Neue Typengrabfteine auf dem Hauptfriedhof. Entwurf: Städtifches
Hochbauamt, Abteilung für Friedhofswefen

To the left: Novel types of tombsfones on the Main Cemetery. Designers:
The municipal Building office, Cemeteries Department

A gauche: Nouveaux types de pierres sepulcrales au Cimetiere principal.
Dessin: L'office municipal deconstructions publiques,section des cimetieres.

die in ihren fchönen Räumen im Palais Royal in Paris nichts an-
deres zu tun weif), als Mufeumskataloge zu fammeln und Archive
anzulegen.

Von der Arbeit des Völkerbundes für künfflerifche Dinge aber
wird man nun bald eine Probe zu koften bekommen: er bereitet
für 1934 eine internationale Ausheilung und felbft-
verftändlich auch einen Kongress für Volkskunft vor, und
aus dem bei einem (olchen Anlaß obligaten Wettrennen einzelner
Städte um den Sit) der Veranftaltung ift die fchweizerifche Haupt-
ftadt Bern als Siegerin hervorgegangen. In denfelben Monaten,
in denen China von einer fürchterlichen Hungersnot heimgefucht
wird und alle Welt vom Völkerbund eine kühne, rafche und
großzügige Hilfe erwartet, in derfelben Zeit, in der die Arbeifs-
lofigkeit in einzelnen europäifchen Staaten eine kaum mehr er-
trägliche Höhe erreicht hat und alle Welt fich fiagt, ob nicht vom
Völkerbund als der einzigen überftaatlichen Organifation aus der
Verfuch zu einem überftaatlichen Ausgleich der Arbeitskräfte ge-
macht werden tollte — in diefer Zeit werden die Mittel des Völker-
bundes dafür verwendet, alte verffaubte Trachten und „originelle"
Holzfchnißereien zufammenzubringen und längft verklungene
Bauerntänze einzuftudieren. Das Volk exiftiert für den Völkerbund
erft, wenn es tot ift —wie es lebt, arbeitet und Not leidet, das
kümmert ihn nicht.

Welche Delegation aber wird an der nächften Sißung in Genf den
Mut haben, gegen diefe finnlofe Vergeudung der Mittel fürZwecke
hiftorifcher Spielereien endlich offen zu proteftieren?

Künftler - Architekten

Erich Mendelfohn und Le Corbusier Itehen genau im felben
Alter. Beide find 1887 geboren, Mendelfohn im oftpreußifchen
Allenftein, Le Corbufier im fchweizerifchen La Chaux-de-fonds.
Beide find in den Inflationsjahren mit prinzipiellen Äußerungen
hervorgetrefen, und beide gehören heute zu den bekannteren
Architekten Europas. Beide haben von jeher den Grundfaß ver-
treten, daß mit der bloßen, nackten, kühl-berechnenden Ingenieur-
Sachlichkeit allein nichts anzufangen ift, daß noch ein inkommen-
furables Element geiftiger, künftlerifcher Formung eintreten müffe,
und (o gelten beide in gewiffem Sinne als Outfider, als „Mehr-als-
Konftrukteure", kurz als Künftler.

Nun haben beide auf Weihnachten 1929 Bücher über ihre bis-
herigen Arbeiten herausgegeben. Dasjenige von Le Corbusier
war hier fchon genannt (Heftl, S.20), dasjenige von Mendelfohn
erfchien bei Rudolf Moffe, Buchverlag Berlin (E. M. Das Gefamt-
(chaffen des Architekten. Skizzen, Entwürfe, Bauten). Nichts ift in-
tereffanter, als diefe beiden Bände zu vergleichen, ihre Texte zu

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