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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 4.1930

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Prinzhorn, Hans: Goethe und das XX. Jahrhundert: zur Frage der Goethe Ehrung 1932
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Schmidt, Georg: Ja oder Nein zu Jäckh?
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https://doi.org/10.11588/diglit.17292#0230
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2. Als Dauerndes: Errichtung eines, den höchffen Kulturaufgaben
geweihten Gebäudes oder, wenn die Mittel dazu im Augenblick
nicht reichen, Grundlteinlegung dazu. Natürlich und einzig dem
Anlaß entfprechend wäre es, dem Bau eines Kunlthaufes den
Weg zu ebnen. Manche Städte haben einen folchen Plan bereits
verwirklicht, in Frankfurt ift er wiederholt erwogen worden — dies
ift der Augenblick, ihn mit dem Pathos eines kulturellen Weihe-
aktes zu verwirklichen. Es darf nicht die geringften Bedenken er-
regen, wenn die Vollendung eines folchen Baues 5 oder lOJahre
dauern follte. Selbft in dem angeblich von rafendem Tempo vor-
wärtsgetriebenen Amerika errichtet man mächtige Bauwerke noch
in Zeitfpannen von vielen Jahren, fogar gotifche Kathedralen.
Sollte nichteine Bauaufgabe, die der Pflege dauernder Werfe zu
dienen hätte, bei uns die ruhige Sicht auf einige Jahre (tetiger
Bemühung bewirken und die tätige Teilnahme der öffentlichen
Stellen wie der Perfönlichkeiten, die (ich für unfere Kultur verant-
wortlich fühlen, erwecken?

Man lade an Stelle eines akademifchen Feftredners ,,Köpfe" ein,
die „in Zungen" reden mögen, aber dennoch eine Harmonie er-
geben, da fie aus verfchiedenem Blut doch zu gleichem Range
menfchlicher Reife und Vollendung im Werk gediehen find:
Andre Gide, Bertrand Ruffell, Benedetto Croce mögen neben
einem Chinefen, einem Japaner, einem Inder im Reigen erfchei-
nen; und zwei von uns mögen zeigen, daß fie fich daneben be-
währen, wenn fie Zeugnis ablegen für die höchften Möglichkeiten
des eigenen Wefens.

Das wäre eine Probe auf die Einmütigkeit, die dem „Geilt der
Zeit" in der Tiefe doch eigen fein toll. Er offenbare (ich in Tat
und Werk! Hans Prinzhorn

B. Köln 1933

JA ODER NEIN ZU JÄCKH?

Unvermeidlich im Vordergrund aller grundfäßlichen Diskuffionen
über Wefen und Aufgabe von Ausheilungen fteht heute Jäckhs
Programm zur Ausheilung „Die Neue Zeit".

Diefes Programm fühlt (ich in einem grundfäßlichen Gegenfaß zum
alten Typus der „Weltausheilung": die übliche Weltausftellung
fei rein referierend, ohne zukunftshaltiges, aktives Ziel. Etwas
Ähnliches wird aber auch dem Jäckhfchen Programm vorgewor-
fen: es gerate in die rein referierende Enzyklopädie.

Ich glaube jedoch, man tut Jäckh Unrecht, wenn man lagt, fein
Programm fei ohne Ziel, ohne Geficht — ohne Tendenz! Ich
glaube fogar, man verkennt auch das Wefen der alten Weltaus-
heilungen, wenn man meint, fie feien dies!

Hinter den pompöfen Faffaden der Weltausftellungen, und fie fo
pompös, fo aufwendig emportreibend fteht die fehr reale Tatfache
des Kampfes um die Weltmärkte. Die Tendenz diefer Ausheilun-

gen ift das Ja zum fogenannten „freien, friedlichen Wettbewerb
der Nationen", ift das Ja zur konfequent nationalen Weltwirtfchaft.
Daher ihre äußere Form : die Pavillons der Nationen! „Rein refe-
rierend", „gefinnungslos" empfinden und benennen nur wir
heute folche Ausheilungen, weil es ihnen (wie der Wirtfchafts-
form, der fie entfprechen) egal ift, was jede Nation produziert,
Opium oder imitierte Batikhoffe, weil es jeder Nation einzig dar-
auf ankommt, möglichft viel zu produzieren und möglichft viel zu
exportieren.

Diefe Form der rein nationaliftifchen Weltwirtfchaft ift heute be-
reits weitgehend ein Atavismus — und damit auch die Form der
ihr zugehörigen Weltausftellung. Jäckhs Tat liegt unbeftreitbar
darin, daß er dies erkannt hat und daß er zugleich auch die der
heutigen Lage zugehörige neue Formel gefunden und ausge-
fprochen hat. Jäckhs Ziel, Jäckhs Geficht, Jäckhs Tendenz wird
vollkommen offenbar, wo er von Strefemann fpricht, von Locarno,
vom Völkerbund, von der Internationalen Zahlungsbank — den
Inftrumenten und Faffaden alfo der heutigen Form der Weltwirt-
fchaft. Jäckh hat vollkommen recht, wenn er überall den „Geilt
des Ausgleichs" feftftelIt. Der heutigen Weltwirtfchaft ift der alte
(tramme Nationalismus höchft unbequem. Diefem Geilt des Aus-
gleichs fühlt fich Jäckh verwandt, die Feftftellung der Wirkfamkeit
diefes Geiftes allenthalben begeiftert ihn und bläht die Segel
(eines Programms. Diefe ausgleichende Begeiferung läßt ihn (o-
gar in fich höchft Widerftreitendes in das „kontrapunktifche" Ge-
famtkunftwerk (einer Ausheilung einbeziehen.

Troßdem ift fein Programm keine bloße Enzyklopädie unferer
Zeit, durchaus kein rein referierender Querfchnitt durch unfere
Zeit! Ein folcher Querfchnitt würde viel weniger begeifernd aus-
fehen. Jäckh muß nach rechts und nach links fehr viel abftreichen,
um fein Bild nicht von ziemlich tiefen Schatten zerriffen werden
zu laffen. Jäckhs Programm trägt in Reinkultur die Züge der
„fortfchrittlichen Mitte".

Der Wille zu diefer Mittellinie ift wohl heute fo ftark, entfpricht
fo fehr der Nachkriegsfituation, daß Jäckhs Ruf ficher die Kräfte
zur Durchführung diefer Ausheilung zu mobilifieren vermag. Ent-
wicklungsmäßig betrachtet ift diefe Ausheilung durchaus „richtig",
man kann fogar lagen notwendig. Sich gegen fie zu ftel len, kann
daher nur den Sinn haben, feinen perfönlichen Standort außer-
halb diefes Geiftes zu bekennen wohlverltanden: folange fie
lediglich als Manifeftation einer vorhandenen, mächtigen Tendenz
unferer Zeit auf den Plan tritt!

Eine ganz andere Sache aber ift es, wenn diefe Ausheilung als
Manifeftation des Werkbunds gelten toll! Da könnte fich plötjlich
zeigen, daß Jäckhs Programm ein zu deutliches Ziel, ein zu
deutlich umriffenes Geficht hat. Weil ein zu naheliegendes Ziel, ein
zufriedenes Geficht — ein zu weites Herz! Jäckhs Programm ver-
langt vom Werkbund, daß er, parlamentarifch gefprochen, aus
einer Oppofitionspartei zur Regierungspartei werde. Wenn das

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