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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 4.1930

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Behne, Adolf: Die Museumsinsel - eine Tragödie Berliner Städtebaues
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https://doi.org/10.11588/diglit.17292#0321

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BERLINER

BERICHT

Die Mufeumsinfel —
eine Tragödie Berliner Städtebaues

Am 1. und 2. Oklober 1930 wird die
Hundertjahr-Feier der (taat-
lichen Mufeen in Berlin Battfin-
den. Der Neubau des (og.„Deutfchen
Mufeums", der bei diefem Anlaf) ein-
geweiht wird, bildet einen fo überaus
krallen Fall planlolefter Mule-
ums - und Städtebaupolitik, dal)
keine Zeitlchrift, die auf wirklicheK ritik
Wert legt, daran Vorbeigehen dürfte.

Wir haben Dr. Behne gebeten, den
mehr als fraglichen Fall hier darzu-
(tellen. Gtr.

48

Situation der Berliner Muleen, mit Einzeichnung der zum 25. Regierungs-
jubiläum Wilhelms II. geplanten „Pracht(traf)e" vom Hof der Univerlität zum
Kupfergraben. Aus Hegemann, „Das Beinerne Berlin".

Situation of the Berlin Mufeums, showing track of the „Street of Splendour",
planned for the jubilee of 25 years'reign by William II'to lead from the Court
of the University to the Kupfergraben.

From Hegemann, "Das Beinerne Berlin"-

Sifuation des Musees berlinois, avec le trace de la "Rue de Splendeur" pro-
jetee ä l'occasion du jubile de 25 annees de regne de Guillaume II. ä
s'etendre de la cour de l’Universite au Kupfergraben.

Voir Hegemann, «Das steinerne Berlin».

Die Pläne Meffels ignorieren die beftehenden Anlagen auf der
Mufeumsinlel vollkommen. Sie nüßen den zur Verfügung flehen-
den Raum nichf derart, daß ftädtebaulich und praktifch die Be-
bauung vollendet wird, nein, mit faft krampfhafter Gewalt (chiebt
der Bau Meffels fich quer in die Anlagen hinein, wendet dem
Forum in der Infelmitte die hermetifch gefchloffene Rückfront zu
und fchafft [ich eine neue Achfe, die ftädtebaulich überhaupt nicht
exiftiert . . . mit keinem anderen Ehrgeiz, als nach Schinkel, nach
Stüler, nach Strack, nach Ihne die Wucht, die Repräfentation, die
Pracht aufs höchfte zu fteigern.

Gegen alle Logik, unter Sprengung und Zerreißung der behen-
den Bauten, unter Bruch der begonnenen guten Tradition wird
ein neuer gewaltiger Ehrenhof gefchaffen, und zwar nach einer
Richtung, nämlich zum Kupfergraben, an der diefer ungeheure
Aufwand einfach verpuffen muß, weil keinerlei Raum zur Aus-
wirkung der neuen Achfe gegeben ift.

In welche groteske Situation find wir fo geraten!

Ein mächtiger Ehrenhof, eine gewaltige Achfe. Eine folche Anlage
hat, wenn überhaupt, dann nur dort einen Sinn, wo von fernher
ein gradliniger Zugang auf den Ehrenhof zuführf.

Wie ift es in Wirklichkeit?

Quer vor dem Ehrenhof fließt der Kupfergraben . . . und hat
nicht einmal eine Brücke! Man muß zum Ehrenhof hinüber-
fchwimmen.

Nun gut, man kann ja eine Brücke bauen. Aber einftweilen wei-
gert (ich der Staat, fie zu bauen, und es weigert fich auch die Stadt,
(ie zu bauen, und es bleibt beim Durchfchwimmen des Kupfer-
grabens, wenn nicht der darum vom City-Ausfchuß gebetene
Stahlwerksverband einen eifernen Steg ftiftet!

Aber mit der Brücke ift ftädtebaulich logifch nichts gewonnen. Der
Befucher kommt von rechts oder von links parallel zur Front,
denn (enkrecht zu ihr führt keine Straße. Er kann im Anmarfch
Front und Achfe und Ehrenhof gar nicht fehen. Er fchwenkt ein paar
Meter vor der Front auf den kleinen Eifenfteg - hoffen wir auf
den — um, der übrigens bei der verfchiedenen Höhenlage der
Ufer anfteigen muß, und betritt befcheiden, amüfiert, verwundert
den ungeheuren Ehrenhof!

Nun wird zur Rechtfertigung des Meffelplanes gefagt: Meffel
konnte damit rechnen, daß von der Univerlität her über den Hegel-
plaß ein Durchbruch durch die Häufer am Kupfergraben erfolgen
würde. Es ift richtig, daß ein (olcher Plan zum Regierungsjubiläum
des Kaifers erwogen wurde. (Abb. 48).

Aber erftens kann man fragen : ob es richtig war, einen Durchbruch
zu planen, der an fich gar nicht notwendig oder erforderlich war
nur um eine falfch angelegte Achfe hinterher plaufibel zu
machen . . . und zweitens zeigt ein Blick auf die Karte, daß diefer
Korridor außer organifcher Beziehung zum beftehenden Kraftfeld
geblieben wäre. Die Krankheit wäre fo nicht geheilt worden, (ie
hätte fich nur weiter ausgebreitet.

Inzwifchen hat der Preußifche Staat die Häufer am Kupfergraben
gekauft, um auf ihrem Plaße das für fpäter notwendige Ägyptifche
Mufeum zu bauen. Vielleicht ergibt fich dann die Möglichkeit,
nachträglich die fchlimmften Folgen des ftädtebaulichen Kardinal-
fehlers ein bischen auszugleichen . . . jenes Kardinalfehlers, den
man als die Methode bezeichnen kann, einen Schrank mit der Tür
gegen die Wand zu (teilen und dann hinterher ein Loch von
außen in die Wand zu fchlagen, damit man doch an die Tür
herankann.

Alfo die für abfehbare Zeit wohl leßte große ftädtebauliche Auf-
gabe, die die Hauptftadt des deutfchen Reiches (teilt, der Abfchluß
der Mufeumsinfel, ift mißlungen, weil die Sucht, den eigenen Bau
zur höchften Monumentalität zu treiben, hier jedes foziale Bau-
gefühl erftickte. Wir haben den ewig wiederkehrenden Fall in
unterer Baugefchichte: das Zerreißen der Tradition — die Schinkel
hier fo meifferhaft begonnen hatte. Natürlich meinen wir keine
formale Tradition, kein Fefthalten an dem „Stil" Schinkels, fondern
Tradition in der Weiterführung und Vollendung einer Gefamtan-
lage. Ich fchiebe diefe Traditionslofigkeit auf den Mangel an fo-
zialem Gefühl, weil ich in der Tat glaube, daß der Mangel, fich
in eine begehende gute, logifche Anlage bauend einzufügen, daß

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