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Das neue Frankfurt: internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung — 4.1930

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Kállai, Ernő: Ton und Stein: zwei Bildwerke von Gerhart Marcks
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https://doi.org/10.11588/diglit.17292#0349

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fondern gebieterifche Wahrzeichen einer großen und (trengen
Schickfalsbefinnung. Diele (ehr nordilche, (ehr deutfche Geiftigkeit
beftimmt den herben Griff (einer Hand, die modulationskarge
Gliederung (einer Form, die (elbft im Ton Monumentales hervor-
zubringen und die(em trotz Maillol unerträglich verkitfchten Mate-
rial neue Geltung zu bereiten weif}. Weil ihre bauende und
abfchliefyende Kraft von der lebten, mütterlich-formträchtigen
Bereitfchaft des Materials her Zug um Zug mit innerer Notwendig-
keit entwickelt wird. Mareks läfjt die gebärende, für die Form
we(enhafte Bedeutung des Werkffoffes in einer Tiefe offenbar
werden, dafj wir von neuem erfchüttert und ehrfurchtsvoll daflehen
vor der Urtatfache aller künltlerilchen Schöpfung, die uns eine
grohltädtifche und induffrietechnilche Allerweltsüberlegenheit (o
leicht vergeben laffen möchte. Wir erleben die heute wie in den
erffen Menfchheitstagen wundervolle und ergreifende Erd-
verbundenheit des Geiftes. Es erfchüttert uns zu (ehen, wie eine
Vifion weiten geiltigen Raumes und tiefer (eelitcher Verfunkenheit
einem Klumpen Ton oder Geltein entwächtt, ihr Haupt erhebt, zur be-
fchwörenden Gebärde wird und dennoch Erdreich bleibt, in (cheuer
Zurückhaltung die Grenzen ihres körperlichen Da(eins wahrend.

Es gibt noch Bildhauer aufjer Mareks, die (trenge Baumeilter ihrer
Geftaltungen, Kün(tler einer klaren und vollendeten Harmonie

BEMERK

Noch einmal: Künfller^Architekten

Wir haben, wie untere Lefer (ich erinnern werden, im Heft 2/3
diefes Jahres unter dem Stichwort „Künftler-Architekten" die Mono-
grafien von Le Corbusier und Mendelfohn befprochen und dabei
mit deutlicher Bevorzugung die„konftruktiven" Skizzen des ersteren
den „dynamilchen" des lefjteren gegenübergeftellt. Auf diefe Kritik
nimmt nun in „Wasmuths Monatsheften für Baukunst” (August 1930)
Herr Charles du Vinage, einer der engeren Mitarbeiter Mendel-
fohns, Bezug, indem er in einer gegen den Schlufj immer rhythmi-
fcher werdenden Sprache Mendel (oh ns Skizzen als Dokumente einer
„mufikalifch befchwingten Intuition" feiert. Hegemann, der offenbar
auch nicht recht an diefe Sache glaubt, erzählt dazu ein hübfehes
kleines Gefpräch aus amerikanifchen Bauateliers.

Ob konftruktiv oder dynamifch, ob zeichneri(ch begabt oder un-
begabt — felbftverftändlich kommt es einzig und allein auf das
Re (ul tat an, und da wüfjte ich Herrn du Vinage nicht beffer zu
antworten, als durch den Abdruck des Briefes eines Berliner
Architektur-Studenten über Mendelfohns Neubau
des Berliner Gewerkfchaftshaufes. Er lautet mit einigen
unwefenflichen Kürzungen (o:

der deutfche metallarbeiterverband hat (einen fitj von ftuttgart nach berlin
verlegt und hier ein gewerkfehaftsgebäude errichtet, mendelfohn heifjt der
fchöpfer. an diefen namen knüpfte fich fchon oft der begriff der faffaden-

find. Es genügt Brancousi und Matare zu nennen. Beide find un-
übertreffliche Beherrfcher des Materials, (ie find aber auch Erlöfer
vom Material, das (ie zum fchwebenden mufikalifchen Klingen ver-
feinern. Die plaftifche Vilion von Mareks ift nicht fo (chönheitsfelig.
Sie läfjt das Geiftige in den Feffeln (einer Stofflichkeit unerlöft
befangen bleiben. Zögernd und (fockend, mit faft unbeholfenem
Bemühen ringt (ich Glied und Glied dem Material ab, eine erfte
Formwerdung, eine Urgeltall gleichfam, die aus dem Mutterfchof}
der Steinmaffe oder des Tonklumpens (ich in die Welt faltet. Stück
für Stück fefjf der Ton zum Ganzen (ich zufammen. Es ift kein leicht-
hin-gewandtes Spiel darin, das die Wandlung vom Stoff zur Form
mit kühnem Sprunge vollziehen würde. Fläche um Fläche wölbend
wird die Steinbehauung vorgetrieben, und die Tektonik bleibt in
atmender Fühlung des Menfdilichen mit dem amorphen Block.
Ton und Stein gebären, und indem (ie (ich öffnen, erfteht nicht nur
die Form vor uns. Wir erfchauen zugleich das tiefere und ältere
Sein, den dunklen Urfchofj diefer Form, in dem alle Spannungen,
alle Glieder von neuem in (ich zufammenfallen, ins Ge(taltlo(e
eingehen. Es ift, als wollten diefe Figuren in ihrer ftummen Sprache
die Vifion des Schickfals heraufbefchwören : erdgeboren, erdver-
fallen. Zwei herrliche Bildwerke, zwei tiefe Gleichniffe und alles
ift nur ■— Ton und Stein. Ernff Källai

U N G E N

architekfur und auch im vorliegenden fall kommt man um diefe feftftellung
nicht herum, ein haus der arbeit, ein haus der arbeiterfchaft, aus den grofehen
diefer taufenden errichtet und in feiner demonffrativ-feudalen haltung in
nichts unterfchieden von bank-, truft- oder hotelprachtbauten I diefe unehr-
lichkeit der gefinnung geht weniger auf rechnung des architekten, als auf die
des bauherrn, des D.M.V. alle, die auf bau befchäftigt waren, haben nur
zu gut diefen renommierenden charakfer empfunden, zitron-, zeder-, eichen-
holz-getäfelte räume, W-C. mit nickeltürrahmen, velour-fufjbodenbelag für
die arbeiterariftokrafie, für die „genoffen" aus der druckerei blech und ftein —
travertinfaffade am point de vue, nach der feite edelput; mit ölanftrich (!) —
als freppenbeleuchtung eine konftruktiv-älthefifche fpielerei aus halbkugel-
gläfern, glasfcheiben und - (fangen für 10000 mark (der aufwand für ein
einfamilienarbeiterwohnhausl), halbzylindrifche fenfterverglafungen, kurz:
viel dekor und wenig idee! — heifjt das hineinwachfen in den fozialismus,
geld zu repräfentieren (taff neue ideen? einft wurden mit den grofehen der
arbeiter paläfte für die blaue ariftokratie errichtet, heute mif denselben
geld für die rote ariftokratie! und wo bleibt das gewiflen der modernen
architekten? w. t.

Was hier über das Berliner Gewerkfchaftshaus getagt wurde, gilt
leider ebenfo für eine ganze Reihe von Gewerkfchaftshäufern
und Ortskrankenkaffen, die gegenwärtig in Deutfchland errichtet
werden. Wir werden auf diefen Wahnwit) unfozialer Bauerei noch
ausführlich zu fprechen kommen. Was aber den Ausgangspunkt
dieler Kontroverle, Mendelfohn, betrifft — (ollte nicht zwifchen der
„mufikalifch befchwingten Intuition" und dem Prunk der äußern
Aufmachung ein (filier Zufammenhang beftehen? Gantner.

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