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Die neue Stadt: internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur — 6.1932-1933

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Taesler, ...: Schweden: Geschichte, Situation, Beziehungen
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Åhrén, Uno: Wohnungsbau in Stockholm
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https://doi.org/10.11588/diglit.17521#0044

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lutionäre Arbeiterbewegung klein, die Aufgabe moderner Städtebauer dem-
zufolge mehr von Gesichtspunkten der Rentabilität als von sozialpolitischen
Erwägungen diktiert. Die Forderung nach der Verstaatlichung des bebauungs-
reifen Bodens — die Gropius erst kürzlich in Stockholm zu interpretieren wagte
— findet hier eine andere Resonanz als bei uns. Indessen, wenn ein planvoller
Städtebau gleichzeitig mit der industriellen Emanzipation sich durchzusetzen
vermag, werden künftige Industriestädte Schwedens möglicherweise vor der
wirtschaftlich und sozial gleich verhängnisvollen städtebaulichen Strukturlosig-
keit des Ruhrgebietes z. B. bewahrt bleiben. Ein Land, das den Begriff „Volk
ohne Raum" nicht kennt und statt seiner „Raum ohne Volk" als wichtigen Faktor
in seine volkswirtschaftliche Bilanz einsetzen darf, hat in den in Mitteleuropa
entwickelten Prinzipien einer neuen städtebaulichen Planung eine wichtige
Handhabe, auf Jahrhunderte vieleicht seiner Industrie und ihren Städten ein
geordnetes Gesicht zu geben.

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Oel-Ladestalion in Loudden. Station de chargement d'huile ä Loudden. Oil-loading-station at
Loudden. Arch. Kooperativa förbundets Arkitektkontor Stockholm E. Sundahl u. O. Hult.

Wohnungsbau in Stockholm

1. Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt.

Stockholms Einwohnerzahl ist in den letzten Jahren mit jährlich 10—15 000
Köpfen auf 500 000 (1931) gestiegen. Der Zuwachs ist durch Zuzug ent-
standen. Die Geburtenziffer ist niedrig, 1950 blieb sie mit 280 hinter der
Sterblichkeitszahl zurück. Nach dem Krieg herrschte großer Wohnungs-
mangel. Um ihn zu decken, der Nachfrage der Eingezogenen und zu-
gleich der durch verbesserten Wohnstandard gesteigerten Nachfrage
entgegenzukommen, setzte starke Bautätigkeit ein.

Die Zahl der Leerwohnungen zeigt steigende Tendenz: 1925 0,54 %,
1930 1,41 %. Gewisse Bedarfsklassen fangen also heute schon an ge-
deckt zu werden. Man darf jedoch aus diesen Zahlen nicht den Schluß
ziehen, die Wohnungsnot sei bald überwunden. Zwar macht die Jahres-
produktion an Kleinstwohnungen bis zu 2 Zimmer und Küche % der Ge-
samtwohnungsproduktion aus, zwar ist die Zahl der Leerwohnungen
dieser Kategorien im Steigen begriffen, aber die Nachfrage nach bil-
ligen Kleinstwohnungen ist damit nicht gedeckt. Die Mehrzahl dieser
Neuwohnungen haben sehr hohe Qualität und für die niederen Einkom-
mensklassen zu hohe Mieten. Für diesen Teil der Bevölkerung wird die
Wohnungsnot immer fühlbarer, und zwar im selben Maß, wie der Alt-
wohnungsbestand abgerissen wird und neuen teuren Häusern Platz
macht.

2. Politik und Wirtschaft des Wohnungsmarktes.

Die Baukosten sind hoch. Der Lebenshaltungsindex (1914 = 100) ist 158,
der Baukostenindex 205. Zu den hohen Baukosten tragen vor allem fol-
gende Ursachen bei.

Die Kommunalpolitik ist auch in Perioden sozialdemokratischer Majorität
von der Ueberzeugung diktiert worden, Wohnungsproduktion müsse
Sache der Privatunternehmer sein. Als die Mietsgesetzgebung der Nach-
kriegszeit schon 1923 wieder aufgehoben wurde, wurde der Wohnungs-

markt zu einem Tummelplatz für die Unternehmer und blieb es, bis neuer-
dings in der Wohnungskooperation ein Machtfaktor von starkem Einfluß
entstand. Die Lage regte die Produktion an, die Preise wurden in die
Höhe getrieben.

Die kommunale Bodenpolitik war der Lage nicht gewachsen und hat es,
trotz ausgedehnten städtischen Grundbesitzes in der Peripherie, zu ge-
wissen Zeiten unterlassen, baureifen Boden in solchen Mengen zur Ver-
fügung zu stellen, daß dadurch die Tendenz zur Preissteigerung (eine
Folge des allgemeinen Wachstums der Stadt) hätte gemildert werden
können.

Das Publikum hat hochgestellte Ansprüche an Material und Einrichtung.
Dies ist teilweise Gewohnheitssache als Folge des althergebrachten
Hochstands in unserem Handwerk. Aber auch die privaten wie koope-
rativen Bauunternehmer stellen solche Forderungen, weil der Wert des
Hauses als Beleihungsobjekt dadurch steigt.

Die Rationalisierung der Bauarbeit wird dadurch erschwert, daß die Ar-
beitspreise nach einer offiziellen Akkordpreisliste mit festgelegten Prei-
sen für fertige Arbeit berechnet werden. Die Verwendung neuer Mate-
rialien, die noch nicht in der Preisliste stehen, oder neuer arbeitsparender
Maschinen wird Anlaß zu langen Unterhandlungen in jedem Einzelfall, und
dies führt zu hohen Preisen.

Beinahe jeder Umzug geschieht an einem Tag, dem 1. Oktober. Die
gesamte Wohnungsproduktion jedes Jahres muß auf einmal fertig sein.
Dadurch entstehen ausgeprägte „Saisons", und es folgt Verteuerung.
Die Unternehmergewinne sind viele Jahre lang beträchtlich gewesen,
heute sind sie bescheidener.

Zu den Ursachen der Verteuerung gehört jedoch nicht wie in vielen
anderen Ländern ein teurer Geldmarkt. Eine normale Finanzierungsweise
für ein Mietshaus geschieht in Stockholm auf folgende Art (Zinsfüße, die

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