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Die neue Stadt: internationale Monatsschrift für architektonische Planung und städtische Kultur — 6.1932-1933

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Boeken, A.: Politik und Wirtschaft errichten ängstlich nationale Grenzen, die Kunst sucht und findet die internationale Verständigung
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Cetto: Eine Fabrik von 1903
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Chronik der Länder
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https://doi.org/10.11588/diglit.17521#0108

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Spielwarenfabrik Steiff, Giengen. Foto Cetto.
Fabrique de jouets de la Maison Steiff ä Giengen.
Toy-factory of Messrs. Steiff, Giengen.

Das Fabrikgebäude der Spielwarenfabrik Margarete Steiff G. m. b. H.
Giengen a. d. Brenz (Wttbg.).

Der kleine württembergische Ort Giengen an der Brenz (die nicht weit
von Günzburg in die Donau fließt), enthält eine anonyme bauliche Lei-
stung von fast anachronistischem Reiz. Die Fabrikgebäude der Firma
M. Steiff — von dort kommen die Spielwaren mit dem „Knopf im Ohr" —
erscheinen in ihrer ganz unpathetischen und schlichten Eleganz der Kon-
struktion als eins der besten Ergebnisse des während der letzten 30 Jahre
geführten Kampfes um die funktionelle Architektur. Daß es sich jedoch
keineswegs um eine in aller Ruhe genommene Position handelt, sondern
um die kühne Eroberung eines frühmorgendlichen Handstreiches, ist aus
der auf die Glaswand des ersten Baues aufgemalten Jahreszahl 1903 zu
schließen.

Chronik der Länder

Schweden

Holzhausbau in Schweden.

Gemäß dem Holzreichtum Schwedens, gemäß der soliden Holzbau-
tradition des ganzen Landes, entsprechend der aufgelockerten Sied-
lungsweise und entsprechend den konstruktiven und kältedämmenden
Qualitäten dieses Materials wird der schwedische Funktionalismus in
sinngemäßer Abwandlung seiner Grundprinzipien gerade durch den
Holzhausbau sich gegen den Verdacht einer neuen Glas-Beton-Romantik
rechtfertigen können. Mit einer fast normierten Gleichartigkeit bestimmt
das 1—2geschossige Holzhaus das Gesicht des Landes bis unmittelbar an
Stockholm heran. Neben dem uralten Blockhaus sind zwei Konstruktions-
typen im Gebrauch: das Plankenhaus und das Holzskeletthaus.
Plankenbauweise vor allem in Gegenden mit billigem Bauholz
heimisch: Außen- und Tragewände aus 6—7 cm stehenden gespundeten
Planken mit Schwelle und Rähm. Bei Zweigeschoßhäusern meist durch-
gehende Planken mit seitlich aufgenagelter Auflagerlatte für die Zwi-
schenbalkenlage, Rähm nur am Dachfuß. Aeußere und innere Verschalung,
Pappzwischenlagen und Luftzwischenraum.

Eine Fabrik von 1903

Lediglich nach den Angaben der Fabrikleitung wurde tatsächlich bereits
in dem genannten Jahr von einer Münchener Baufirma mit dieser doppelt
eingeglasten Eisenrahmenkonstruktion der Anfang des Werks erstellt.
Der Baugedanke wurde rein durch die Produktion angeregt und mit der
Durchschlagskraft und Unbekümmertheit, die seit je den Außenseiter be-
sonders zu Neuerungen befähigt hat, durchgeführt. Herr H. Steiff gab auf
unsere Anfrage dazu köstliche Erläuterungen:

„Wir haben damals für dieses Gebäude anfänglich keine Baugenehmi-
gung erhalten können, denn es war für die verschiedenen, die Bau-
gesuche behandelnden Staatsbeamten kein „Vorgang" für die Genehmi-
gung eines solchen Gebäudes da, infolgedessen wurde uns die Ge-
nehmigung auch versagt zu Zeiten, als wir mehr als ein Vierteljahr ohne
Baugenehmigung in diesem Gebäude bereits Spielwaren fabriziert
haben. Sehr typisch war die Behandlung unseres damaligen Baugesuchs
von Seiten der Gewerbeinspektion. Der zuständige Gewerbeinspektor
schrieb auf den Baugesuchsplan: „In so einem Glashaus wird man blind."
Nachdem wir mehr als ein Vierteljahr mit ca. 100 Leuten im Glashaus
fabriziert hatten, haben wir uns von dem damaligen württembergischen
Innenminister, als von einem Verwaltungsmann, durch mehrere persön-
liche Vorstellungen die Baugenehmigung erbitten müssen, weil alle seine
Fachleute für Versagen der Baugenehmigung sprachen. Diese wurde
schließlich nur unter ausdrücklichen Bedingungen, vorbehaltlich und auf
unser eigenes Risiko erteilt. Wir haben damals dem betreffenden Ge-
werbeinspektor geschrieben, er möge nach Giengen kommen, um sich
davon zu überzeugen, daß man in so einem Glashaus nicht blind wird,
damit er als Person endlich sehend werde.

... Das nächste Glashaus, das wir in eigener Regie mit lauter Taglöhnern
und nur einigen Zimmerleuten 1904 erstellt haben, ist zweistöckig, aus
Holzkonstruktion, Fensterrahmen aus Eisen und Doppelglas hergestellt
worden ... Mit diesem sowie mit den nördlich stehenden Fabrikgebäu-
den aus Glas,... haben wir die besten Erfahrungen gesammelt. Sie wur-
den der Reihe nach im Jahre 1904, 1908 und 1910 erstellt." Cetto

Skelettbauweise in Gegenden mit hohen Bauholzpreisen (so in
Innernorrland, das viel Wald, aber wenig Sägewerke besitzt: das Roh-
holz wird auf den Flüssen direkt zu den Industrie- und Exportstädten der
Küste geflößt): Wandstiele in 0,5—1 m Abstand, Schwelle, Rähm. Aehn-
lich dem Fachwerkbau, jedoch ohne Zimmermannsverbände, nur ver-
nagelt. Doppelte Verschalung dient als Versteifung. Pappzwischenlagen,
Kalkkies-, Sägespan- oder Torffüllung. Bei zweigeschossigen Häusern oft
durchgehende Stiele, im Dach jeweils ein Stiel mit einem Sparren vereint
wie Schiffsspanten (amerikanische Konstruktion).

Holz ist hier für kleinere Häuser im allgemeinen der billigste Baustoff.
Es war daher naheliegend, daß Versuche weiterer Verbilligung durch
Standardisierung unternommen wurden. Den ersten Schritt in dieser
Richtung hat die Stadt Stockholm getan. Sie hat, 1926 auf Erbpachtgrund-
stücken in den von ihr seit 1904 erschlossenen Gartenstädten Holz-
typenhäuserfür drei Bedarfsklassen errichtet. Das Material für Trag-
konstruktion, Verkleidung, Dach, Fußboden usw. wurde fertig zugeschnit-

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