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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 241 - No. 250 (12. Oktober - 23. Oktober)
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Prof. Dr. L. Klein, der Vorstand der landwirth-
schaftlich-botanischen Versuchsanstalt in Karlsruhe,
zu einer gutachtlichen Aeußerung über die erwähnte
Petition aufgefordert und sodann, da die Lebens-
weise der Spargelfliege und des Spargelkäfers in
den Hauptzügen völlig bekannt ist, angewiesen, sich
mit der Frage der Bekämpfung dieser Feinde des
Spargelbaues zu befassen. Herr Dr. Klein ist
diesem Auftrage nachgckommen und hat die Art
und Weise bezeichnet, wie eine wirksame Bekämpfung
der Spargelschädlinge zu erreichen ist, Bedingung
ist dabei allerdings, daß sämmtliche Spargelpflanzer
gemeinsam Vorgehen; eine vereinzelte Bekämpfung
nützt nichts. Nach Mittheilungen des Herrn Pro-
fessors Klein ist auf dem Versuchsfelde der land-
wirthschaftlich-botanischen Versuchsanstalt in Karls-
ruhe dieses Frühjahr eine Spargelpflanzung von
vorerst 400 Stöcken angelegt worden, die später,
sobald der nöthige Platz frei wird, noch erheblich
vergrößert werden soll. Im kommenden Winter
beabsichtigt sodann Herr Professor Klein, auf einer
hier anzuberaumenden Versammlung einen Vortrag
über Spargelflicge und Spargelkäfer zu halten und
dabei alles weitere Wissenswerthe in dieser iür die
ganze Gegend so hochwichtigen Frage eingehend zu
behandeln.
* Bruchsal, 21. Okt. Ein kleiner Knabe, der
vorgestern das Unglück hatte, vom Geländer der
Brücke am Friedhof auf das Schienengelcise zu
stürzen, ist den schweren Verletzungen, die er dabei
erlitten, gestern Mittag erlegen.
* Offenburg, 21. Okt. Der Lokomotivführer
Nickles, welcher gestern Nacht das Eisenbahnun-
glück bei Appenweier verschuldete, hat sich in einem
Walde unweit der Stadt die Pulsadern in selbst-
mörderischer Absicht geöffnet. Man fand ihn ge-
rade noch rechtzeitig, um gänzliche Verblutung zu-
verhindern. Nickles wurde ins Spital geschafft,
wo ihm sofort ärztliche Hilfe zu Theil wurde; es
soll Hoffnung auf Erhaltung seines Lebens vor-
handen sein. Ueber das bedauernswerthe Ereigniß
bei Appenweier erfährt man Folgendes: Nickles
führte einen außerordentlich langen und schwer be-
ladenen Güterzug mit ca. 75 Wagen und hatte
nur vier Bremser bei sich, so daß es ihm, als er
das Signal „Halt" gewahr wurde, nicht mehr
möglich war, den Zug rechtzeitig zum Stehen zu
bringen. Die Folge war, daß der von Nickles ge-
führte Train auf die letzten Wagen eines manöv-
rirenden Zuges so heftig auffuhr, daß viele Wagen
zertrümmert wurden. Wohl aus Verzweiflung bat
der unglückliche Familienvater, der übrigens all-
gemein bedauert wird, den Selbstmordversuch zur
Ausführung gebracht.
* Munzingen, 22. Okt. Dem Landwirth
I. Schillinge! von Oberrimsingen, welcher sich
einige Zeit von seinem Hause, das er verschlossen,
entfernt hatte, wurde bei seiner Rückkehr eine böse
Ueberraschung zu Theil. Er traf dort die Haus-
thüre geöffnet und in der Stube einen fremden
Mann an, der damit beschäftigt war, einen aufge-
brochenen Kasten zu durchwühlen. Bei seinem
Eintritt kehrte sich der freche Dieb mit einem
Messer in der Hand mit der Aeßerung gegen ihn,
er solle ihm aus dem Wege gehen, oder er werde
niedergestochen. Da S. ohne jegliche Waffe und
anfänglich erschrocken war, gelang es dem Strolchen,
den Ausgang aus dem Zimmer zu gewinnen und
sich auf das freie Feld zu flüchten, wo er aber von
S. und einigen herbeigekommenen Nachbarn ver-
folgt und eingeholt wurde. Die Gendarmerie von
Munzingen verbrachte den Einbrecher, bei welchem
eine goldene Uhr nebst Kette, eine silberne Uhr,
sowie 37 Mk. Geld, zwei Geldtäschchen und Messer,
auch verschiedene gefälschte Zeugnisse und Ausweis-
papiere, sowie 8 Stück Siegelformen vorgefunden
wurden, in das Amtsgefängniß nach Breisach. Wie
man hört, soll der Verhaftete ein schon wegen
Diebstahl wiederholt bestrafter Schneidergeselle von
Eberfingen sein und auch zugestanden haben, daß
er die goldene Uhr und Kette, sowie einige Geld-
beträge in Bremgarten gestohlen habe.
* Wahlwies, 21. Okt. Das wenige Jahre
alte Kind des Bahnwarts Schneider, der in dem

tige Lehrer und Gouvernanten gehabt hatte,
schob sie die mangelhafte Bildung der Betrügerin
der Trägheit zu, welche das indische Klima her-
vorbringt, der wankenden Gesundheit und zum
größten Theil auch der angeborenen Scheu, Auf-
merksamkeit zu erregen, und hochgradige Be-
scheidenheit, welche sie für einen hervorragenden
Zug in dem Charakter der Betrügerin hielt.
Durch die bunten Fensterscheiben drang das
mildgedämpste Licht herein; Marmorbüsten und
Statuen glänzten aus den Ecken und Nischen
des großen Gemaches hervor. Der Feuerschein
warf ein röthliches, flackerndes Licht auf den Ofen-
schirm und die Stäbe des Kamingitters, und
lange Strahlen fielen auf den Teppich.
Tiefste Ruhe herrschte um sie her. Die jungen
Leute hatten einen Spazierritt unternommen und
wurden jeden Augenblick zurückerwartet. Lady
Folliot saß auch richtig noch gar nicht lange in
ihrem Lehnstuhle, als sie Fußtritte und fröhliche
Stimmen in der Halle hörte. Die Baronin stand
nicht auf, und Beatrix und das falsche Fräulein
Bermyngham gingen in ihre Gemächer. Auch
Sir Lionel begab sich gleich darauf auf sein
Zimmer.
Es war vielleicht eine halbe Stunde später,
als wieder Schritte auf dem Marmorboden der
Halle ertönten, die Thüre aufaing und Sir Lionel
in die Bibliothek eintrat.
Lady Folliot begrüßte ihn mit einem Lächeln.
„ Ich dachte eben daran, Dich bitten zuslassen,
hierher zu mir zu kommen, Lion," bemerkte sie.
„Kannst, Du mir einige Minuten schenken, oder

Bahnwartshäuschen zwischen Wahlwies und Nen-
zingen wohnt, legte sich kurz vor Ankunft des
Zuges zwischen die Schienen und schlief ein. Die
Mutter des Kindes lag krank darnieder, der Vater
war auswärts im Dienst. DerZugführer bemerkte
allerdings den kleinen Körper, vermochte aber den
Zug erst zum Stehen zu bringen, als schon mehrere
Wagen des Eisenbahnzuges darüber binweggcrollt
waren. Aber zur großen Freude aller blieb das
Kind unversehrt, und schlief auch noch, als es aus
seiner gefährlichen Lage befreit wurde.
* München, 21. Okt. Allerwärts ist cs üblich
daß jungen Männern, die in das Heer eingestellt
werden, von ihren Angehörigen, Vätern, Bräuten
und solchen weiblichen Wesen, die dies werden
könnten oder möchten, ein freundliches Geleit zum
Bahnhof gegeben wird. Während aber meistens
bei dieser Gelegenheit den Rekrtuen von ihrer Be-
gleitung eine Trostgabe beigefteckt wird, nahm dieser
Tage ein vorsorglicher Vater an seinem Sprößling
eine Art Entziehungskur vor. Als nämlich die
für das 8. Infanterieregiment in Metz bestimmten
Rekruten an den Centralbahnhof gebracht wurden,
forderte ein Vater seinen Sohn auf, seine hoben
Schäftestiefel auszuziehen, und gab ihm dafür ein
Paar Pantoffeln. Als der zur Aufsicht befohlene
Unteroffizier hiergegen Verwahrung cinlegte, er-
widerte der Vater kurzangebunden: „Ihr könnt
ihn auch mit Pantoffeln brauchen, er aber hat
seine Stiefel nothwendig, wenn er wieder heraus-
kommt", und entfernte sich, die lederne Trophäe
unter dem Arm, hvcherhobenen Hauptes aus- den
Hallen des Bahnhofes.
* Mainz, 22. Okt. Der vor einiger Zeit zur
Untersuchung seines Geisteszustandes in die Landes-
irrenanstalt nach Heppenheim verbrachte Weinhändler
Arenz von hier, der, obwohl Millionär, sich einen
Strafprozeß wegen Meineid, Betrugs und Steuer-
defraudation auf den Hals geladen hat, ist wieder
in das hiesige Untersuchnngsgefängniß eingeliefert
worden, da die Aerzte in der Irrenanstalt keinerlei
Geistesdefekt wahrzunehmcn vermochten. In der
nächsten, im Dezemberstattfindenden Schwmgerichts-
session werden die verschiedenen Anklagen gegen
Arenz nunmehr ihren gerichtlichen Austrag finden.
— Der wegen verschiedener Vergehen im Amte in
Untersuchung gezogene Gerichtsvollzieher Möbus
von hier wird gegenwärtig auch auf seinen Gcistes-
zustand untersucht._
WerrnifchLes.
— Eine gemüthliche Gegend. In der Alten
Rothhofstraße in Frankfurt wurden verhaftet:
ein Dienstmädchen wegen Kindsmordes; ein junger
Mann, der den Besitz von 6000 Mark in Baar
nicht „aufklären" konnte, zwei eines Kleiderdicb-
stahls Verdächtige; zwei Diebe, die einem Metzger
eine goldene Uhr gestohlen hatten; die Kellnerin
einer altdeutschen Wirtschaft, die ihre Gäste mit
Bierglashieben traktirte; ein 28jähriger Karten-
spieler, der seinem 60jährigen Partner ebenfalls
das Bierglas an den Kopf geworfen hatte; das
diebische Dienstmädchen eines Wirthes; sieben Zi-
geuner und sieben Zigeunerinnen; und endlich
fünf obdachlose Personen. — Alles an Einem Tage!
— Ein Sachverstandigen-Gntachten will der
wegen Caprivi-Beleidigung angeklagte
antisemitische Buchhändler Glöß vor Gericht
dafür beibringen, daß Jemand Reichskanzler sein
und doch als Landwirth seine Güter einwandfrei
bewirthschaften könne. Als „Sachverständigen"
hat Herr Glöß den — früheren Reichskanzler
Fürsten Bismarck vorgeschlagen.
— Ei« Original. Es gibt heutigen Tags
wirklich noch Leute, die grundsätzlich keine Eisen-
bahn benutzen. In der Gegend von Meißen
machte sich dieser Tage ein alter, in den sechziger
Jahren stehender Mann auf den Weg, um seinem
in Dresden in Garnison stehenden Enkel eine
Kiste mit Obst, Kuchen, Wurst u. s. w. auf einer
Schiebkarre zuzuführen. Von seinem Heimaths-
dorfe aus hatte der gute Großpapa bis Meißen
sieben Stunden und von Meißen bis Dresden
noch fünf Stunden zu fahren. Früh um 6 Uhr

bist Du vielleicht pressiert, einen Brief zu
schreiben?"
„O nein, für Dich habe ich immer Zeit Tante
Folliot," sagte Sir Lionel. „Ich kam nur,
um mir einen andern Band Goethe zu holen,
aber es eilt nicht. Ich glaube wohl, Bea —
Fräulein Clare — wird vor dem Gabelfrühstück
nicht herunterkommen."
„Dann setze Dich zu mir, Lion," sagte die
Baronin, auf einen Stuhl neben sich deutend,
„und laß uns vertraulich plaudern."
Der junge Baronet nahm den ihm von Lady
Folliot angedeuteten Platz ein.
„Das erinnert mich an die kleinen vertrau-
lichen Erörterungen, die wir in jenen Tagen
hatten, wo ich noch wild und unbesonnen war,"
sagte er etwas scherzhaft.
„Was habe ich gethan Tante Folliot? Beab-
sichtigst Du, mir eine Lektion zu geben?"
Lady Folliot lächelte.
„Du verdienst heutzutage keine Lektion mehr
Lion," sagte sie zärtlich.
„Du bist jetzt ruhig und nüchtern genug ge-
worden, um Deine Wildheit auszugleichen. Ich
wollte mit Dir über meine Nichte sprechen.
Wie gefällt Dir Nerea?"
Das dunkle Gesicht Sir Lionels röthete sich
ein wenig, und seine breite Stirn furchte sich etwas,
als er erwiderte:
„Sie gefällt mir wirklich sehr gut, Tante
Folliot. Sie ist ein sanftes, herziges Geschöpf
ein Wesen, geschaffen, verhätschelt und geliebt zu
werden, — ein wenig überspannt vielleicht und
etwas affektiert —"

war er aufgebrochen, Nachmittags war er in Meißen
eingetroffen: trotz seines Alters wollte er noch am
selben Tage bis Dresden fahren, da er nicht die
geringste Müdigkeit verspürte. Auf den Einwand,
daß er seine Kiste doch viel bequemer und für
weniger Kosten mit der Bahn an seinen Enkel
hätte schicken können, meinte der Alte: „Nee, nee,
vun der Eisenbahn mag ich nischt wissen; mir
Ham früher ooch kccne gehatt und 's ging ooch!
Ich will die Kiste meinem Otto selber gäb'n, da
weeß ich wenigstens, daß er'sche krigt."
— Ein turnerisches Preisessen. Das Turnen
ist eine schöne und löbliche Sache, wenn es sich,
wie sonst allgemein, auf Leibesübungen beschränkt.
In Neu-Isenburg bei Frankfurt aber wird nicht
allein preisgeturnt, sondern auch preisgc — fressen.
Dies war der Fall bei einem am Dienstag abend
seitens der dortigen Turngemeinde veranstalteten
Festessen verbunden mit Preisessen. Als Sieger
und Hauptfresser ging wie schon im vorigen Jahr
ein gewisser Fritz Schäfer hervor, welcher eine
Mahlzeit im Gewicht von ca. 15 Pfund vertilgte.
Ausgezeichnet wurde er mit einer goldenen Medaille
und Diplom.
— Die „Hosen des Königs." Im Juni
ds. IS. hatte in Reichenbach in Schlesien das
Silesia-Bundesschießen stattgefundcn, an welchem
sich die Schützengilden von Reichenbach, Schweid-
nitz, Waldenburg, Nimptsch und Freiburg bcthei-
ligten. Den besten Schuß hatte der Kräutereibe-
sitzer Gustav Näse in Reichenbach abgegeben, gegen
die Verleihung der Königswürde an denselben
legten jedoch die Gilden Waldenburg und Freiburg
Protest ein, weil Näse bei dem Schießen — Helle
Beinkleider statt der vorgeschriebenen dunklen ge-
tragen hatte. Lange wogte nun der Kampf
zwischen den bethciligten Gilden hin und her,
endlich einigte man sich dahin, die Sache auf
einem eigens zu diesem Zwecke nach Freiburg ein-
berufenen Dclegirtentage zu entscheiden. Auf
dem Delegirtentage, der vor etwa 6 Wochen statt-
fand, waren nur 4 Gilden vertreten, von denen
zwei für, 2 gegen die Verleihung der Königs-
würde an Näse stimmten; eine Gilde (Nimptschi)
fehlte. Man beschloß nun der letzteren Gilde die
Entscheidung zu überlassen. Jetzt hat diese cnd-
giltig Herrn Näse die „Königswürde" zugesprochen
und somit ist nun auch der mehrere Monate
währende „Streit um die Hosen des Königs"
glücklich beigelegt worden.
— Ei» Prinz als Erfinder. Der in Eng-
land lebende Prinz Louis von Battenberg hat eine
Signal-Maschine erfunden, welche, wie es heißt,
wahrscheinlich von dem brittischen Admiralitätsamte
adoptirt werden wird. Der Prinz ist augenblicklich
damit beschäftigt, die Fehler, welche sich bei der
offiziellen Prüfung der Erfindung herausstellten,
zu verbessern.
— Einen Blumenkorso haben bekanntlich am
15. Oktober die Franzosen in Toulon zu Ehren
ihrer russischen Gäste arrangirt. Es scheint sehr
lebhaft dabei zugegangen zu sein, wie aus einem
Bericht der „Köln. Z." zu ersehen ist. Es heißt
da u. A.: „... Das „Bösche Zarja Chrani"
kündigt das Herrannaheu des Zuges an; die Hoch-
rufe auf Rußland z-ehen sich auf der ganzen
Strecke hin. Aber' wie sind sie schon zugerichtet,
die jetzt auf der Festbühne Platz nehmen! Ihre
vom feurigen Wein gcröthetcu Gesichter sind be-
reits ganz mit vielfarbigen kleinen Narben bedeckt;
das sind die Confetii, womit das Volk in seiner
Maskcnfrciheit sie beworfen hat. Am allerschlimm-
sten hat man dem Präfekten mitgespielt, der steht
wunderlich aus mit seiner vielfarbigen Glatze.
Wenn aber die Admirale und sonstigen Würden-
träger glauben, sie würden ibre Uniformen unter
dem Baldachin am Ehrenplatz in Sicherheit
bringen, so haben sie sich getäuscht, denn die Auf-
fahrt ist jetzt erst recht im Zuge, und wer da vor-
bcifährt, Männlein oder Wciblein, zielt mit den
duftigen Geschossen gerade auf die höchsten Spitzen
von Toulon. Die Wagen sind zahlreich und an-
muthig geschmückt. Die Offiziere der verschiedenen
hier liegenden Regimenter erscheinen auf riesigen,

in Gärten umgewandelte Wagen, die Aeste tragen
allerhand kriegerisches Rüstzeug und auf de«
schmucken Gruppen hängen, wie auf den, Wagen
der Marine-Infanterie, kunstgewerbliche Beutestücke
aus dem tonkinesischen Feldzug herab. Doch die
Stimmung war nicht darnach, daß irgend Jemand
an die Bedeutung der Waffen unter den Blumen
gedacht hätte; neben mir sagte vielmehr ein Bürger
von Reims: „So gefällt mir eine Schlacht, möge
es keine andere mehr geben." Und die Artillerie,
die aus Pappmörsern jeden Augenblick ganze La-
dungen von Blumen auf die Zuschauer gsß, ft?
hat die schönste Leistung des Tages vollbracht.
Admiral Avelane bestieg den Wagen wieder mit
seinen französischen Kameraden und nun hagelten
auch auf ihn von allen Seiten die Geschosse ein,
so daß er im Nu betupft war von oben bis unten,
den breiten blonden Bart voll kleiner Papiersche«
ben, den Hals gefangen von buntfarbigen Papier-
streifen, die wie eine Krause des 17. Jahrhunderts
auf seinem Kragen lagerten. Immer wieder, wenn
er sich von den Schlingen befreit hatte, fielen die
Wurfgeschosse von Neuem nieder, und Luftig
sauste es aus seinem Wagen zurück auf die
neckischen Schönen, die ihm mit lachendem Munde
ein „Vivo In Kimsis!" zugerufen und zugleich
ihn geschickt getroffen hatten.
— Warnung vor der Auswanderung
nach Brasilien. In rheinischen Blättern wird
gegenwärtig dringend vor Agenten von Antwerpen
gewarnt, die Leute zur Auswanderung nach Brasilien
zu bewegen suchen. Nach der Behauptung del
Blätter wenden die Agenten dabei alle Mittel an,
die Leute zu überreden, wobei es an gottlosen Vor-
spiegelungen nicht fehlt. Von Leuten, die sich znc
Auswanderung verleiten ließen, liegen inzwischen
Briefe vor, die sehr traurig lauten. Außer dein
ungesunden Klima beklagen sie, daß sie verkauft
seien, da es ihnen unmöglich gemacht, ihrem
Wunsche, nach Europa zurückkchrcn, nachzukommeN-
— Falschmünzer-Konsortium. In Temes-
war (Ungarn) wurden der berüchtigte Geldfälscher
Andrccjewik mit vier seiner Komplizen verhaftet-
Er gestand, daß er mit den bei ihm gefundene«
Metall-Legierungen serbische und rumänische Gold-
münzen babe fälschen wollen.
— Viloziped-Droschken. Wie mitgetbcilt
wird, hat sich in Mailand eine Gesellschaft ge-
bildet, welche auf den Droschkenhalteplätzen Velo-
zipede zur Personenbeförderung aufzustellen beab-
sichtigt. Es ist hier natürlich an Dreiräder ge-
dacht, die von einem „Kutscher" bedient werde«
und einen Sitz für den Fahrgast enthalten. Die
Idee scheint vielleicht der Beachtung werth, de««
der Betrieb der Dreiräder stellt sich billiger, als
der eines Pferdefuhrwerks und die zu erreichende
Geschwindigkeit ist auch größer. Nur für Nege«-
wctter müßte eine passende Einrichtung noch ge-
funden werden.
— Der 17. Urenkel. Aus Anlaß der Ge-
burt eines rumänischen Prinzen macht das eng-
lische Hofjournal die Bemerkung, daß derselbe dec
17. Urenkel der Königin Viktoria ist. Der Tag
seiner Geburt ist der Geburtstag des Erbprinze«
von Koburg-Gotha und der Jahrestag der Ver-
lobung der Königin Viktoria mit dem verstorbene«
Prinzen Albert.
— Aufsuchung der „Russalka." Zur Auf-
findung des untergegangenen russischen Kriegs-
schiffs „Russalka" hat, wie dem „Rev. Beob.
gemeldet wird, ein Professor der Helfingforser Hoch-
schule vorgeschlagen, die Stellen, wo die „Russal-
ka" möglicherweise untergegangen sein kann, derart
abzusuchen, daß ein großer mit Jnduktionsdrähte«
versehener Magnet an einem kleinen Floß nach-ft-
schleppt werde. Die Nähe des eisernen Schiffs-
körpers der „Russalka" werde in jeder beliebige«
Tiefe aus den Magneten einwirken. Zur An-
wendung dieses Mittels seien keine besonderen Aus-
gaben erforderlich.
— Ein Freund des Lynchens ist der Gou-
verneur Tillmann von South Carolina. Dieser
Staat erfreut sich nicht nur von dem Gouverneur
Tillmann eingerichteter Kneipen, in denen Whiskey

„Ueberspannt! Affektiert! Was, Nerea?"
schrie Lady Folliot entsetzt. Lion, Du bist un-
gerecht. Nerea ist sanft und harmlos wie ein
Kind.
„Ich gab Dir nur meine Meinung, Tante
Folliot," sagte Sir Lionel. „Nerea ist reizend,
das gebe ich zu."
„Und Du liebst sie, Lion?" fragte Lady
Folliot hastig. „Du willst sie zu Deiner Gattin
machen?"
Das Gesicht des jungen Mannes wurde sehr
ernst. Ein bekümmerter Ausdruck trat in seine
braunen Augen.
„Ich habe Nerea lieb als Kousine," ant-
wortete er offen, „aber zu meiner Frau würde
sie niemals taugen."
(Fortsetzung solgt.)
Kleines JeuiLl'eLon.
* Eine einzige Kanone nur besitzt die Hirten-
Republik Andorra. Man hatte sie bei Krupp
in Essen bestellt und eines Tages kam das eherne
Ungeheuer an; es konnte die Geschosse aus eine
Entsernung von 18 Kilometer hinschleudern.
Man stellte die Kanone auf den höchsten Berg-
gipfel, so daß alle Bürger sehen konnten, daß sie
das Thal vorzüglich schützte. Nun wollte man
aber auch Schießversuche machen. Man lud die
Kanone, aber in dem Augenblicke, als „Feuer"
kommandirt werden sollte, fiel es einem besonders
schlauen Manne ein, daß man nothwendigerweise
das Geschoß doch irgend wohin schicken müsse.
Aber wohin? Das war die große Frage. Das

Gebiet der Republik Andorra hat nur 6 Kilo-
meter im Umfange. Aufs Land zielen, das hieß
so viel als auf die Nachbarn in Frankreich oder
auf die Nachbarn in Spanien schießen! Irgend
Jemand schlug vor, man solle in die Luft schieße«,
aber glücklicherweise fiel es sofort einem andere«
Kanonenkenner ein, daß die Kugel doch sicherlich
wieder auf die Erde zurückfallen und furchtbarem
Unheil anrichten würde, wohin immer sie auch
fallen möge; auf diese Weise würde entweder die
ganze Republik Andorra in Grund und Bode«
geschossen werden, oder man würde Löcher in de«
Boden der großen Nachbarstaaten schließen und so
leichtsinniger Weise einen europäischen Krieg her-
ausbeschwören. In Erwägung aller dieser Um-
stände gab man den beiden Artilleristen vonA«-
dorra sofort Gegenbefehle, und so ist der verhäng-
nißvolle Kanonenschuß bis jetzt noch nicht abge-
feuert.
* Nichtige Diagnose. Mann: Unser Nach-
bar muß sehr reich sein- — Frau: Wieso?
Mann: Ei, er hat doch fünf erwachsene Töchter
und giebt keine Gesellschaft, reist in kein Bao,
auch sind alle einfach gekleidet. .
" Ehelicher Zwist. Gatte (wüthend):
wollte, ich wäretodt!" — Gattin: „Ich wünschte,
ich wäre auch todt!" — Gatte: „So! —- NW
dann wünschte ich es nicht!"
* Guter Grund. Lieutenant.: „Aber, rn«^
gnädiges Fräulein, daß Sie bei Ihrer Schöns
und persönlichen trefflichen Eigenschaft nicht heft
rathen wollen, ist mir unbegreiflich!" — Da«^'
Ganz einfach — ich kann keinen Mann
nähren!"
 
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