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Zürcher Kunstgesellschaft [Hrsg.]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 1907

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Reiseerinnerungen 1853 von Marseille nach Genua
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https://doi.org/10.11588/diglit.43211#0022
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Runde und nur der Gendarm,
dieses unvermeidliche Übel, das
an jeder Station den Passagieren
die Pässe abnimmt, blieb in seiner
ganzen Steifheit und Langweilig-
keit am Wagen stehen. Auch der
Postillon ward eingeladen mitzu-
trinken, und als eingespannt war
und der neue die Abfahrt melden
wollte, musste auch dieser noch
erst sein Glas leeren, ehe man
sich von dieser herrlichen Stelle
trennen wollte.
Erfrischt durch diesen Aufent-
halt, wurde die Fahrt von nun an
ein wahrer Genuss. Das Meer
zwar verschwindet wieder beim
Hinunterfahren in die schattige, kühle Schlucht, dafür entwickelten sich
eine Menge anderer höchst anmutiger landschaftlicher Bilder, die für
uns durch die vielen Oliven-, Feigen- und Pfirsichbäume einen neuen
Reiz hatten. Freundliche Ortschaften mit stattlichen Landhäusern und
herrlichen Gärten bieten einen einladenden Anblick. Die Strasse folgt
einem wildromantischen Flussbett in der Richtung gegen das Meer,
während das Tal, immer breiter werdend, den freien Blick auf dieses
gestattet. Unfern der Küste, am Ausgang des Tales, liegt auf Felsen
mitten in dem fast trockenen Strombett eine Einsiedelei, ganz ver-
borgen unter riesigen Pinien, deren schön geformte dunkle Masse
den Horizont des glänzenden Meeres durchschneidet. Grossartig und
einfach gestaltet sich diese Landschaft zum schönsten Bilde. Ich ver-
wünschte die Post, welche gar zu schnell uns vorbeiführte und die
kameradschaftliche Verbindlichkeit, die einen Aufenthalt in diesen
Gegenden nicht erlaubte.
Die See lag nun in ihrer ganzen überwältigenden Grösse und Schön-
heit vor uns und wehte uns den Duft von Zitronen- und Orangenbäumen
entgegen, so dass wir, ganz versunken im Genuss dieser herrlichen
Natur, nicht bemerkten, dass wir durch eine Stadt gefahren, bis wir hart
am Meere vor dem Posthause still hielten und der unvermeidliche Ne-
bel spalter mit seinem: „ Vos passeports, Messieurs I “ uns wieder aufweckte.
 
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