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Zürcher Kunstgesellschaft [Hrsg.]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 1907

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Reiseerinnerungen 1853 von Marseille nach Genua
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https://doi.org/10.11588/diglit.43211#0024
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September 1853.
NIZZA.
Einer der schönsten
Flecke der Erde, mit allen
Genüssen, welche die Na-
tur zu bieten imstande ist,
zudem eine hübsche Stadt,
umgeben von einer Anzahl
der reizendsten Villen und
Pensionshäusern, male-
risch gelegenen Kirchen
und Klöstern, mit altem,
kleinem Hafen, der mit
seinem alten Matrosen -
quartier die Altstadt bildet
und von der Neustadt

durch einen Hügel gänzlich getrennt ist. — Wir wollen spazieren
und zeichnen, allein die Hitze ist unerträglich, alle Strassen, alle
Wege sind tot, kein Mensch zu sehen, denn alles zieht sich in die
Höfe und kühlen, aber dunklen Kaufläden zurück, wenn die Sonne
hoch steht. Da kommt uns die kluge Idee, Strohhüte zu kaufen,
denn Strohwaren sind ein Hauptartikel von Nizza, aber wo hinein ?
Wir suchen ja Zeitvertreib, Unterhaltung, Sprachübung, Chic in der
Facon und vor allem Kühle. Strohladen gibt es da genug, ganze
Strassen voll, aber die Insassen waren bald zu alt, bald zu jung,
hässlich alle, bis endlich zu hinterst eine kleine Butike entdeckt
wird, deren hübsche Bewohnerin eine reiche Auswahl von Stroh-
hüten unter das Fenster rangiert. In der Landessprache machten
wir denn auch bald merkliche Fortschritte, denn anfangs konnte
keiner von uns beiden aus diesem italofranzösischen Dialekte den
Sinn finden. Das Probieren, Anpassen brauchte schon einige Zeit,
dann aber mussten Futter eingenäht und vor allem mit einem Bändel
der Rand „obsi“ gebracht werden, denn das war chic zu jener Zeit.
Auf unsere Anfrage nach interessanten Orten der Umgegend wies
man uns nach der Ratapignata oder Fledermaushöhle als der in-
teressantesten Partie, deren Besuch denn auch für den folgenden Tag
 
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