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Zürcher Kunstgesellschaft [Hrsg.]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 1907

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Reiseerinnerungen 1853 von Marseille nach Genua
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https://doi.org/10.11588/diglit.43211#0040
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gewöhnen, ehe man an
diesem Lebensbild Genuss
findet, denn nicht allein
verpestet Fischgeruch die
Luft, sondern der
der vielen offenen Küchen,
in denen Fritti gebacken
werden, allem Anschein
nach ein Lieblingsessen
des Volkes, Teer und faule
Früchte, die haufenweise
umherliegen, vervollstän-
digen das Quodlibet von
Aromas. Zu diesem Na-
senschmaus gesellt sich ein
Lärm, wie nur die gellen-
den Stimmen italienischer Marktweiber ihn hervorbringen können,
das unermüdliche Ausrufen von Tabulet- und Viktualienhändlern,
Schreien der Esel, Wagenrasseln, dazwischen bimmelt und heult
der schäckernde Ton der Kapellenglocke. Drehorgeln und andere
Instrumente, welche unter den Gewölben vor den Trattorien aufgestellt
sind, und das Gebrüll betrunkener Matrosen leisten für die Ohren
noch mehr als jene Düfte für die Nasen.
Trotz alledem bleibt es immer ein hoher Genuss, einen Blick
in ein solch buntes Volksleben zu tun, zumal wenn fremde Sitten,
Sprache und malerische Trachten den Reiz der Neuheit haben.
Um dennoch einen Blick auf den Hafen, der uns für einmal un-
zugänglich schien, zu gewinnen, suchten wir auf die Höhe zu gelangen,
auf welcher die Kuppelkirche der Madonna di Carignano liegt. Durch
enge Gassen eines äusserst armseligen, schmutzigen Quartiers kamen
wir an einer Stelle wieder ins Freie, wo eine schmale Strasse an den
Felsen gebaut und zum Teil in denselben eingehauen, auf ziemlicher
Höhe schon eine ungestörte Aussicht auf das offene Meer, den Hafen
und einen Teil der Stadt gewährt. — Die Luft war drückend, scirocco-
artig, der Himmel mit blendendem weissem Dunst bedeckt, das flim-
mernde Wasser und die weissen Häuser schmerzten die Augen und
die Glut der sonnerhitzten Felsen auf diesem schattenlosen Wege
trieben uns wieder in die dunklem, kühlen Gassen und zunächst zur

Ölqualm
 
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