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Zürcher Kunstgesellschaft [Editor]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.43223#0030
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schweren Operationen im Zürcher Spitale bei, um die Züge eines Schwer-
veroundeten oder Sterbenden nach der Natur beobachten zu können. -

Micht jede Arbeit, die Kißling unternahm, führte zur Husführung, nicht
jede Konkurrenz, die er mitmachte, zur Prämierung. So hatte er lich an
den Zürcher Wettbewerben um das Zvuinglidenkmal, um die Niſchenkiguren
am Polytechnikum, um das Peſtalozzidenkmal ohne Erfolg beteiligt, als
1897 ein neuer Auktrag lockend an ihn herantrat : der Fries an der Salerie
Henneberg. Aber auch dieſer ſollte ertt durch eine engere Konkurrenz
erworben werden.

Seidenfabrikant Henneberg hatte ſich am Alpenquai ein palaltartiges
Sebäuce errichten laſſen, deſſen Faſſade in ihrem oberen Teile durch einen
20 Meter langen und 2 Meter hohen Fries in weißem Marmor geschmückt
werden ſollte. Eine prachtvolle Aufgabe für einen Bildhauer.

Henneberg lud zuerſt Böcklin zur Herstellung eines Entvwurkes ein,
dann Adolf Menzel, doch zerſchlug es ſich mit beiden. Hierautk erteilte
er zwei Schweizer Bildhauern den Auftrag zur Berſtellung von Skizzen ;:
Kißling und Adolf Meyer, damals noch in Berlin, ſollten in engerer Kon-
kurrenz um die Ausführung ringen. Da beide Entwürfe Henneberg nicht
bekriedigten, ließ er die Künſtler nochmals konkurrieren, wobei Adolf Meyer
ſiegte und den Auftrag zur Berſstellung des Frieſes erhielt.

Kißling hatte in ſeinem erîten Entwurke zeigen wollen, wie die Se-
ſelllchaft höherer Kultur ſich immer wieder ergänzt aus den primitiveren
Sphären. Es war keine ſo recht zulammenhängende Arbeit, obwohl einige
Partien darin geglückt waren. Ein Stück daraus führte Kißling ſMäter in
kleinem Maßîtabe aus und ließ es in Bronze gießen. Es iſt der Mädchen-
fries, der jetzt im Treppenhauſe des Kunſsthauſes angebracht iît, eine ge-
fällige, dekorativ wirkende Kompolition.

In der zweiten Konkurrenz ſchutf Kißling einen Reiterkries, der jetzt
noch im Polytechnikum aufbewahrt wird.

All diele Enttäuſchungen wurden aber wieder um die Fahrhundert-
wende durch eine Reihe größerer Aufträge wettgemacht.

Am Landesmuleum, das damals der Pollendung entgegenging, ſollten
die vier Männer, die ſich beſlonders um deſſen Bau verdient gemacht
hatten, mit verewigt werden : Profeſſor Rahn, Zeller-Werdmüller, Stadt-
präsident Deſtalozzi und Direktor Angît. Wie die mittelalterlichen Stein-
metzen gerne Karrikaturen an ihren Bauten anbrachten, ſo ließ Kißling
die Köpfe dieler vier verdienten Herren, ebenfalls Itark karrikiert, aus
engen gotischen Dreipäſſen an der Faſſade herausſchauen. Sie ſIind alle
 
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