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Nelken, Maiglöcklein, weiße und blaue Lilien. Die Darben funkeln rot, blau,
golden, weiß und grün. Die Dörmen fließen; selbst Densterbank und Stein -
gewölbe beflügeln ihre Starrheit.
Nicht der Zwang, die Kahlheit einer Mauerfläche, den Brnst eines Raumes
still zu gliedern, noch der Wunsch, der Kraft von plastischen Altarfiguren stand-
zuhalten, geben den Schlüssel und Anlaß zu einer Malerei von solchen Dörmen.
Auch nicht um eindringliche Brzählung ist es dem Künstler zu tun. In den
Vorgang spielt überall dieDreude an der gleitenden und schwingenden Bewegung,
der schönen Linie und der Mannigfaltigkeit der Binzelformen herein. Dem
Zeichner und dem Goldschmied stehen solche Werke näher als dem Wandmaler
und Bildhauer.
Wie der Meister B S in seinem Kupferstich von 1467 die Maria im Gemach
und das Gemach mit vor uns hinstellt (Abb. 14), so komponiert und zeichnet
auch der Meister der Verkündigung sein Bild in einer Art von preziöser Kalli-
graphie. Von einer direkten, äußern Abhängigkeit ist dabei nicht die Rede,
Abb. 11. Schwäbisch, 2. Hälfte 15.
J ahrhundert. Vorbereitung z. Kreuzi-
gung, Museum der bildenden Künste
Stuttgart.
sondern von Verwandtschaft des Bmpfindens.
Kein Teil des Stiches wiederholt sich im Bild.
Nur in der Sprache, im Wie, nie im Motiv,
das ja in dieser Zeit so gut wie unpersönlich
ist, sicher vogelfrei und jedem erreichbar,
kann wahre Verwandtschaft und künstlerische
Zugehörigkeit sich anzeigen.
Der Meister B S hat, im Jahre 1466,
eines seiner ansehnlichsten Blätter für das
Kloster Binsiedeln gestochen. Als sein eigent-
licher Wirkungskreis und seine Heimat gilt die
Gegend um Basel und die Städte des Ober-
elsasses. Seine Graphik geht neben der Malerei
seiner Zeit und seiner Heimat her, wohl als
deren unmittelbarer Reflex und Spiegelbild oft
im buchstäblichsten Sinne. So ergeben sich
Beziehungen wie zwischen der oberrheinischen
Madonna, die dem Kinde die Brust
reicht (Abb. 15) und dem Stiche der Madonna
mit Kind, wo die auf dem Umdruck beruhende
Seitenvertauschung im Grund den größten Un-
terschied bedeutet (Abb. 16); oder zwischen
den beiden Marien im Garten (Abb. 17
und 19).
Die Schönheit des kleinen Bildes aus dem
Straßburger Museum liegt im Zusammenklang
des rosenroten Kleides mit dem tiefen Gold-
grund, dem bräunlichgrünen Brdboden und
Nelken, Maiglöcklein, weiße und blaue Lilien. Die Darben funkeln rot, blau,
golden, weiß und grün. Die Dörmen fließen; selbst Densterbank und Stein -
gewölbe beflügeln ihre Starrheit.
Nicht der Zwang, die Kahlheit einer Mauerfläche, den Brnst eines Raumes
still zu gliedern, noch der Wunsch, der Kraft von plastischen Altarfiguren stand-
zuhalten, geben den Schlüssel und Anlaß zu einer Malerei von solchen Dörmen.
Auch nicht um eindringliche Brzählung ist es dem Künstler zu tun. In den
Vorgang spielt überall dieDreude an der gleitenden und schwingenden Bewegung,
der schönen Linie und der Mannigfaltigkeit der Binzelformen herein. Dem
Zeichner und dem Goldschmied stehen solche Werke näher als dem Wandmaler
und Bildhauer.
Wie der Meister B S in seinem Kupferstich von 1467 die Maria im Gemach
und das Gemach mit vor uns hinstellt (Abb. 14), so komponiert und zeichnet
auch der Meister der Verkündigung sein Bild in einer Art von preziöser Kalli-
graphie. Von einer direkten, äußern Abhängigkeit ist dabei nicht die Rede,
Abb. 11. Schwäbisch, 2. Hälfte 15.
J ahrhundert. Vorbereitung z. Kreuzi-
gung, Museum der bildenden Künste
Stuttgart.
sondern von Verwandtschaft des Bmpfindens.
Kein Teil des Stiches wiederholt sich im Bild.
Nur in der Sprache, im Wie, nie im Motiv,
das ja in dieser Zeit so gut wie unpersönlich
ist, sicher vogelfrei und jedem erreichbar,
kann wahre Verwandtschaft und künstlerische
Zugehörigkeit sich anzeigen.
Der Meister B S hat, im Jahre 1466,
eines seiner ansehnlichsten Blätter für das
Kloster Binsiedeln gestochen. Als sein eigent-
licher Wirkungskreis und seine Heimat gilt die
Gegend um Basel und die Städte des Ober-
elsasses. Seine Graphik geht neben der Malerei
seiner Zeit und seiner Heimat her, wohl als
deren unmittelbarer Reflex und Spiegelbild oft
im buchstäblichsten Sinne. So ergeben sich
Beziehungen wie zwischen der oberrheinischen
Madonna, die dem Kinde die Brust
reicht (Abb. 15) und dem Stiche der Madonna
mit Kind, wo die auf dem Umdruck beruhende
Seitenvertauschung im Grund den größten Un-
terschied bedeutet (Abb. 16); oder zwischen
den beiden Marien im Garten (Abb. 17
und 19).
Die Schönheit des kleinen Bildes aus dem
Straßburger Museum liegt im Zusammenklang
des rosenroten Kleides mit dem tiefen Gold-
grund, dem bräunlichgrünen Brdboden und