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Zürcher Kunstgesellschaft [Hrsg.]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.43224#0026
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Abb. 31. Hans Leu d. j. Die
hl. Paulus und Sebastian.
Schweiz. Landesmuseum
Zürich.

nach Pracht. Das Bild und alles im Bild soll schön
und glänzend sein. Der Schauplatz: massige Ouader-
bauten, beinahe ein Marmorhof, tiefblauer Himmel;
der Täufer, hier duldendes Opfer, das auf den Streich
wartet, ist in einem leuchtend gelbroten und grünen
Überwurf drapiert. Bast streift sein nackter Fuß
das lichtblaue Schleppgewand der Salome. Sie steht
dicht neben dem Henker und dem Heiligen, ganz vorn,
hoch und hell, und neigt ein schmales Gesicht im
Schmuck des Diadems und kunstvoll gedrehter und
gelockter Haare, die Stirne ist überhoch und blank
wie Kinn und Wangen. Der prächtigste von allen ist
der Henker, seine Digur eine ungebrochene Arabeske
von der Schwertspitze bis zum Buß. Das vom rechten
Arm fallende schimmernde Tuch verdoppelt und ver-
stärkt sie. Vielleicht holt er für die Größe der Ge-
bärde etwas weiter aus als für die Verrichtung eben
nötig wäre, gefällt er dem Künstler so sehr, daß
darüber die Bewegung an zufahrender Kraft etwas
verliert.
Diese Art von Pathos, im Glanz der Farben und
weit ausfahrender Bewegung, die •—• wie etwa Gebärde
und Stimme auf dem Theater — zuweilen so sehr
Selbstzweck wird und sich übersteigert, daß über-
zeugende Kraft und tieferer Ausdruck sie nicht mehr
ganz zu füllen vermögen, ist verschiedenen Tafeln von
Hans Fries eigen. Br ist vielleicht im Grunde mehr
beschaulich als pathetisch, mehr Träumer als Führer.
So verweilt er gern bei der einzelnen Erscheinung und
findet in jedem Bild auch den Weg zum Anmutigen
und Zarten.

In den Schmalflügeln der Auferstehung und des Höllensturzes sind die
Seligen und die Verdammten von der gleichen, weltlichen Anmut. Johannes
kniet angesichts der Erscheinungen auf Patrnos in stiller Ergebenheit, und
den Brscheinungen fehlt nicht farbiger und goldener Glanz, wohl aber die
höchste, hinreißende Gewalt und Majestät. Christophorus und Barbara (Taf. XIII
des Kataloges) rauschen mit Tüchern, der Wind ist’s, der in die verschwenderisch
weiten Gewänder fährt, die Felsen des Ufers und der Wildnis schmiegen und
runden sich wie weiches Wachs, ringsum neigen sich feine Gräser und Blumen,
Singvögel sitzen dazwischen, Schmetterlinge, Fliegen, bunte Käfer. In der
Antoniuspredigt gehört zum Schönsten der ferne Deichenzug mit dem schwarz-
weiß bedeckten Sarg und dem grauen Grabgeleite, in heller Luft; die kleinen
Bildchen machen das große Bild so reich. Im Marienleben hat Fries vielleicht
die Aufgabe gelöst, die ihm im Innersten gemäß war, wenn aus der Reife
 
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