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Stämme schneiden die Bildhöhe; Rebengelände senken sich zum Ufer; über
einem fernen Tal leuchten Schneeberge.
Von dem Wort Zeitstil wird angesichts der Malerei des 15. Jahrhunderts
ein ganz besonders ausgiebiger Gebrauch gemacht; in stiller oder ausdrück-
licher Übereinkunft, daß eben in dem Jahrhundert die künstlerischen Persön-
lichkeiten nicht sehr zahlreich, oder vollständig in der unpersönlichen Schul-
tradition untergetaucht, so eins gewesen seien mit ihrer Zeit, daß sie nur diese,
nicht sich selber hätten malen können. Man darf sich fragen, ob kommenden
Geschlechtern nicht auch unsere, für uns so bunte Bilderwelt aus weiterem
Abstand erheblich beruhigter und unpersönlicher, im wesentlichen auch als
„Zeitstil“, einst erscheinen wird, und ob wir in der alten Kunst Persönlich-
keiten nur deswegen spärlich zu erkennen glauben, weil wir für die Abstufungen
ihrer Pormensprache einstweilen noch zu grob oder zu andersartig organisiert
sind. Gewiß ist, daß, wenn auch
von diesen Malern viele auf
demselben Weg etwas Ähnliches
erstrebten, ein jeder doch darin
nur das Höchste verwirklichen
wollte; wenn man die bloßen
Handwerker und Pabrikanten
außer acht läßt; und daß es in
der Kunst, soweit sie eben mehr
als Handwerk ist, Gleichwertig-
keit und Gleichartigkeit nie
geben kann.
Die drei Johannesbilder, in
vielleicht weniger als zwanzig
Jahren in einer und derselben
Stadt entstanden (die Tafel des
wiederholt und lange Zeit in
Bern arbeitenden Hans Pries
vielleicht zufällig im benach-
barten Preiburg), ausschließlich
als Ausdruck eines Berner oder
Schweizer Zeitstils hinzustellen
wird niemand wagen, wenn auch
der Nelkenmeister, Pries und
Manuel Söhne ihrer Zeit und als
Künstler dies am vollkommen-
sten gewesen sind. Zu ihrer
Zeit, nach 1500, zur Zeit der
Renaissance, ist nach alter Rehr-
weisheit Bewußtsein, Aus-
Abb. 35. Hans Pries. Enthauptung Johannes d.Täufers.
Oeffentl. Kunstsammlung. Basel.
Stämme schneiden die Bildhöhe; Rebengelände senken sich zum Ufer; über
einem fernen Tal leuchten Schneeberge.
Von dem Wort Zeitstil wird angesichts der Malerei des 15. Jahrhunderts
ein ganz besonders ausgiebiger Gebrauch gemacht; in stiller oder ausdrück-
licher Übereinkunft, daß eben in dem Jahrhundert die künstlerischen Persön-
lichkeiten nicht sehr zahlreich, oder vollständig in der unpersönlichen Schul-
tradition untergetaucht, so eins gewesen seien mit ihrer Zeit, daß sie nur diese,
nicht sich selber hätten malen können. Man darf sich fragen, ob kommenden
Geschlechtern nicht auch unsere, für uns so bunte Bilderwelt aus weiterem
Abstand erheblich beruhigter und unpersönlicher, im wesentlichen auch als
„Zeitstil“, einst erscheinen wird, und ob wir in der alten Kunst Persönlich-
keiten nur deswegen spärlich zu erkennen glauben, weil wir für die Abstufungen
ihrer Pormensprache einstweilen noch zu grob oder zu andersartig organisiert
sind. Gewiß ist, daß, wenn auch
von diesen Malern viele auf
demselben Weg etwas Ähnliches
erstrebten, ein jeder doch darin
nur das Höchste verwirklichen
wollte; wenn man die bloßen
Handwerker und Pabrikanten
außer acht läßt; und daß es in
der Kunst, soweit sie eben mehr
als Handwerk ist, Gleichwertig-
keit und Gleichartigkeit nie
geben kann.
Die drei Johannesbilder, in
vielleicht weniger als zwanzig
Jahren in einer und derselben
Stadt entstanden (die Tafel des
wiederholt und lange Zeit in
Bern arbeitenden Hans Pries
vielleicht zufällig im benach-
barten Preiburg), ausschließlich
als Ausdruck eines Berner oder
Schweizer Zeitstils hinzustellen
wird niemand wagen, wenn auch
der Nelkenmeister, Pries und
Manuel Söhne ihrer Zeit und als
Künstler dies am vollkommen-
sten gewesen sind. Zu ihrer
Zeit, nach 1500, zur Zeit der
Renaissance, ist nach alter Rehr-
weisheit Bewußtsein, Aus-
Abb. 35. Hans Pries. Enthauptung Johannes d.Täufers.
Oeffentl. Kunstsammlung. Basel.