WETTKAMPF UND SPORT
Alles Große ist dem Hellenen Geschenk der Götter: ein tapferes Herz und
weiser Ratschluß so gut wie schöne Bildung des Körpers und der Seele. Dem
Sterblichen, der solche Gaben durch eigenes Streben im Sinne eines Mensch-
heitsideals pflegt und steigert, winkt als Lohn letztlich die Erhöhung zum
göttliche Ehren genießenden Heros. Es ist tiefbezeichnend für griechisches
Wesen, daß nach einem Bericht Herodots (V 47) einem Sieger in Olympia,
Philippos von Kroton, dem „schönsten der Hellenen“ seiner Zeit, ein Heroen-
heiligtum über seinem Grab erbaut und Opfer dargebracht wurden. Dieser
Vorgang zeigt symbolhaft, welche Rolle im griechischen Leben Körper-
schönheit und sportliche Leistung spielen. Zur „Bildung“ gehört für den
Griechen auch die Körperbildung. Was dem Griechen für die Form des
Menschen Sport, Wettkampf und Sieg bedeuten, hat in der Kunst in den
zahlreichen Statuen, vor allem der Klassik, reifsten Ausdruck gefunden.
Sport und Leben, Leben und Kunst sind in Standbildern wie dem Diskus-
werfer des Myron, dem Speerträger des Polyklet, dem Schaber des Lysipp
zu vollkommenstem Einklang gebracht worden. Selbst die Majestät des
Gottes, der Dreizack oder Blitz schwingt, offenbart sich der wesenhaften
Schau des griechischen Künstlers in der nackten, sportlich durchgebildeten
Gestalt und bedarf keiner äußerlichen Aufmachung (Wandfoto 8). Bild und
Lied zeugen davon, daß Sport und Wettkampf zugleich Teil des Kultus sind.
Pindar, dessen Preislieder den olympischen Siegern unsterblichen Ruhm
verleihen, ruft in seinen Oden den „wolkenthronenden Zeus“ oder „des
Zeus starken Sohn, Herakles“, den Stifter der Olympischen Spiele an (10.
Ode). Olympia ist ein heiliger Ort, und dorthin weiht der olympische Sieger
sein schönes Ebenbild den Göttern zum Wohlgefallen. Weniges davon ist
uns erhalten geblieben, aber die zahlreich gefundenen Denkmäler der
Kleinkunst spiegeln vieles vom Geist der großen Bildschöpfungen und der
Leibesfreude der Antike wider. Vor allem aber erschließt uns die Vasen-
malerei eine Fülle von Kenntnissen über einzelne Sportarten, die man erst
in moderner Zeit wieder bewußt ins Leben zurückrief. Auch die olympische
Idee, Sport um eines höheren Zieles willen zu treiben, hat in verwandelter
Form eine Auferstehung erfahren: Die moderne Olympiade ist der Versuch
der Neuzeit, an das Ideal des griechisch-europäischen Menschentums der
Blütezeit wieder anzuknüpfen.
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Alles Große ist dem Hellenen Geschenk der Götter: ein tapferes Herz und
weiser Ratschluß so gut wie schöne Bildung des Körpers und der Seele. Dem
Sterblichen, der solche Gaben durch eigenes Streben im Sinne eines Mensch-
heitsideals pflegt und steigert, winkt als Lohn letztlich die Erhöhung zum
göttliche Ehren genießenden Heros. Es ist tiefbezeichnend für griechisches
Wesen, daß nach einem Bericht Herodots (V 47) einem Sieger in Olympia,
Philippos von Kroton, dem „schönsten der Hellenen“ seiner Zeit, ein Heroen-
heiligtum über seinem Grab erbaut und Opfer dargebracht wurden. Dieser
Vorgang zeigt symbolhaft, welche Rolle im griechischen Leben Körper-
schönheit und sportliche Leistung spielen. Zur „Bildung“ gehört für den
Griechen auch die Körperbildung. Was dem Griechen für die Form des
Menschen Sport, Wettkampf und Sieg bedeuten, hat in der Kunst in den
zahlreichen Statuen, vor allem der Klassik, reifsten Ausdruck gefunden.
Sport und Leben, Leben und Kunst sind in Standbildern wie dem Diskus-
werfer des Myron, dem Speerträger des Polyklet, dem Schaber des Lysipp
zu vollkommenstem Einklang gebracht worden. Selbst die Majestät des
Gottes, der Dreizack oder Blitz schwingt, offenbart sich der wesenhaften
Schau des griechischen Künstlers in der nackten, sportlich durchgebildeten
Gestalt und bedarf keiner äußerlichen Aufmachung (Wandfoto 8). Bild und
Lied zeugen davon, daß Sport und Wettkampf zugleich Teil des Kultus sind.
Pindar, dessen Preislieder den olympischen Siegern unsterblichen Ruhm
verleihen, ruft in seinen Oden den „wolkenthronenden Zeus“ oder „des
Zeus starken Sohn, Herakles“, den Stifter der Olympischen Spiele an (10.
Ode). Olympia ist ein heiliger Ort, und dorthin weiht der olympische Sieger
sein schönes Ebenbild den Göttern zum Wohlgefallen. Weniges davon ist
uns erhalten geblieben, aber die zahlreich gefundenen Denkmäler der
Kleinkunst spiegeln vieles vom Geist der großen Bildschöpfungen und der
Leibesfreude der Antike wider. Vor allem aber erschließt uns die Vasen-
malerei eine Fülle von Kenntnissen über einzelne Sportarten, die man erst
in moderner Zeit wieder bewußt ins Leben zurückrief. Auch die olympische
Idee, Sport um eines höheren Zieles willen zu treiben, hat in verwandelter
Form eine Auferstehung erfahren: Die moderne Olympiade ist der Versuch
der Neuzeit, an das Ideal des griechisch-europäischen Menschentums der
Blütezeit wieder anzuknüpfen.
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