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IV.

Rom, die hohe Schule der Kunst

Papsttum und Kunstp/tepe
Das Treiben der Renaissancepäpste, ihr Streben nach verfeinertem
und üppigem Lebensgenuß, das dadurch bedingte stetig wachsende
Getdbedürfnis, verbunden mit der Abwendung von den religiösen
Idealen des Christentums, jene Gesamtheit von Kulturwandlungen am
Ausgang des Mittelalters, die man mit dem Schlagwort der Verwelt-
lichung des Papsttums zusammenzufassen pflegt, hatte einerseits die
Wirkung, durch die aus dem deutschen Widerspruch geborene Refor-
mation Luthers einen großen Teil des deutschen Volkes dem Mittel-
punkt der Kirche zu entfremden und für geraume Zeit von Rom als
einer feindlichen Macht fernzuhalten; diese Verweltlichung schuf aber
andererseits in der Ewigen Stadt einen Schatz von neuen Werten gei-
stigen Genusses, die bald unser Volk ebenso mächtig anzogen, wie es
vordem die christliche Hauptstadt als Gnadenquelle und Heils-
spenderin getan hatte. Als sichtbarer Ausdruck dieser zugleich ab-
stoßenden und anlockenden Kraft steht auf dem vatikanischen Mär-
tyrerhügel die neue Kirche des Apostelfürsten Petrus, ,,ragt ein zweiter
Himmel in den Himmel St. Peters wunderbarer Dom". Der für den Bau
dieses gewaltigsten Denkmals der weltbeherrschenden Kirche aus-
geschriebene Ablaß hat dem deutschen Volk den letzten Anstoß zur
Auflehnung und zum Abfall vom Papsttum gegeben, die vollendete
vatikanische Basilika mit ihrer Fülle von mächtigster künstlerischer
Schönheit und Pracht ist aber dann ein Sinnbild und Inbegriff der
neuen Anziehungskraft für alle Völker geworden, in denen unabhängig
vom religiösen Bekenntnis ein Gefühl für Schönheit und künstlerische
Größe lebte. Das vielfach angefochtene Wirken der Päpste der Auf-
lebungszeit hat aus der ehemals alleinigen Lehrerin und Spenderin des
wahren christlichen Glaubens eine hohe Schule der Kunst gemacht,
eine Stätte der Verehrung, ein Ziel der Sehnsucht und eine unerschöpf-
liche Quelle der Belehrung auch für d i e Söhne Deutschlands, die den
Nachfolger auf dem Stuhl Petri nicht mehr als ihren heiligen Vater und
Seelenhirten anerkannten.

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