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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Reisch, Emil: Athene Hephaistia
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0078

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vermuthlich im Auftrage des Königs selbst für seine Hauptstadt Caesarea hergestellt
worden sind; unter ihnen ragen die beiden (ebenfalls bei der Porte d'Alger gefundenen)
Frauenstatuen hervor, die kürzlich Kekule von Stradonitz in dem 57. Berliner
Winckelmannsprogramm in ihrer hervorragenden Bedeutung als Copien nach
Originalen der phidias'schen Zeit gewürdigt hat. Dass auch die Athene, die aller-
dings nicht von gleich guter Arbeit ist, dennoch auf gleiche vornehme Herkunft
zurückblicken kann, hoffe ich im Folgenden zu zeigen.

Was zunächst die äußere Charakteristik der Athene von Cherchel anlangt,
so scheint sich diese auf das beste den Vorstellungen zu fügen, die wir von
einer Athene Hephaistia uns bilden müssen. Die Athene, die dem Hephaistos
zugesellt ist, ist eine freundliche, friedfertige Göttin von mütterlich wohlwollender
Art; sie theilt sich, wie uns das schon in Solons Gedichten entgegentritt (13,496.),
mit Hephaistos in den Schutz von Kunst und Handwerk, sie ist uns in ihrer trau-
lichen Art im Parthenon-Ostfries vor Augen gestellt; helmlos, nur mit schmaler,
schrägumgelegter Aigis angethan, steht sie Hephaistos gegenüber auf einem
Relief von Epidauros (Fig. 37), das ich späterhin noch genauer besprechen werde.
In ähnlicher Art tritt uns auch die Athene von Cherchel entgegen, nicht in der stolzen,
strengen Haltung, nicht mit den breiten, mächtigen Formen der Parthenos, son-
dern in lässigerer, freierer Bewegung, schlanker und leichter im Aufbau der Gestalt.
Der Chiton, über den der Uberschlag ungegürtet frei und lang herabfällt, ist eine
Tracht, die nicht für rasche, heftige Bewegung im Kampfe, wohl aber für ruhiges
Walten im Hause passt. Die Aigis ist mit Bedacht so umgelegt, dass sie kaum
noch als schreckliche Wehr empfunden wird. Wie ein bedeutungsloses Gewand-
stück ist sie schräge nach Art einer Schärpe nachlässig um den Oberkörper
gelegt, das Gorgoneion ist zur Seite gerückt, als wäre es ein gleichgiltiges
Schmuckstück, die Schlangen sind zu einem zierenden Saumbesatz geworden.
Dass hierin eine wohlerwogene Charakteristik liegt, lehrt ein Vergleich mit
anderen Athenefiguren, an denen die Aigis in äußerlich verwandter Art aus
ihrer natürlichen Lage verschoben ist. Die zahlreichen Beispiele der Vasen, wo die
Göttin eine solche Lage der Aigis gewählt hat, um für eine bestimmte Handlung
größere Bewegungsfreiheit zu gewinnen, können hier bei Seite bleiben. Im Zu-
stande des Rastens hat auf der olympischen Stymphaliden-Metope Athene die
Aigis wie eine Chlamys nach der linken Schulter verschoben. Ahnlich ist das
Motiv in einer Statue des römischen Thermenmuseums (Bullet, della comiss. archeol.
comunale di Roma XXV T.XIV); die Göttin ist in friedlicher Ruhe gedacht, aber
mit einem Rucke des Armes kann die Aigis wieder in eine Lage gebracht werden,
 
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