Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

DOI article:
Reisch, Emil: Athene Hephaistia
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0085

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
73

mit Hephaistos verbundene Göttin, so dass wir aus der Ähnlichkeit der beiden
Statuen eine weitere Bestätigung für die Annahme gewinnen können, dass in
der Statue von Cherchel die Athene des Hephaisteion copiert ist. Denn wir
verstehen leicht, dass einem Künstler, der eine Votivstatue der Athene Kuro-
trophos zu schaffen hatte, es nahe liegen mochte, in Huldigung für das im
Hephaisteion aufgestellte Cultbild den Typus der Hephaistia der verwandten
Aufgabe anzupassen.

Von größtem Interesse ist aber dieses Abhängigkeitsverhältnis der beiden
Statuen für uns vor allem deshalb, weil die Athene des Louvre ihren antiken
Kopf besitzt. Der in den Nacken fallende Haarschopf stimmt genau zu den
Resten des Haares, die an den römischen Repliken der Athene Cherchel er-
halten sind; und wer die sklavische Abhängigkeit erwägt, mit der an dem
Körper der Athene des Louvre die Formen jener anderen Statue nachgebildet
sind, der wird der Annahme, dass auch der Kopf von demselben Vorbilde
copiert ist, das Schwergewicht größter Wahrscheinlichkeit zugestehen müssen.
Freilich könnte infolge des veränderten Motivs auch Ausdruck und Haltung
des Kopfes verändert worden sein. Aber selbst diese Drehung und Neigung
des Kopfes würde ganz wohl auch mit dem Typus der Athene Cherchel vereinbar
sein, wenn, wie sich uns vorher als wahrscheinlich ergeben hat, unter ihrem
Schilde die Erichthoniosschlange sich barg.

Gibt uns die Athene des Louvre den deutlichen Beweis dafür, dass der von
uns ermittelte Typus der Athene Hephaistia einem athenischen Künstler aus der
Zeit um 400 oder später vor Augen stand, so fehlt es auch sonst nicht an Statuen,
an denen man die Einwirkung jenes Typus zu verspüren vermeint.

Von allen den großen Schöpfungen der phidias'schen Epoche können wir
aus den folgenden Jahrzehnten lange Reihen von Umbildungen nachweisen, die
wie die verhallenden Brechungen eines vielfältigen Echos für die weckende Kraft
des Aufrufes zeugen. Zum Theile betreffen diese Umbildungen nur Äußerlich-
keiten, indem z. B. Attribute vertauscht werden oder das Doppelgewand an Stelle
des einfachen, der Mantel zum Chiton tritt, zum Theile greifen die Änderungen
tiefer, indem eine andere Ponderation zugrunde gelegt oder auch Stand- und
Spielbein im Sinne des Spiegelbildes vertauscht werden; besonders zahlreich aber
sind die Varianten, in denen das Bestreben zu Tage tritt, die alten Typen dem
neueren Zeitgeschmacke stilistisch anzupassen, indem durch leichte Änderung
des Standmotivs und freiere Behandlung des bewegten Gewandes die classische
Schöpfung zu einer modernen umgewandelt wird.

Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. I. 10
 
Annotationen