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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Reisch, Emil: Athene Hephaistia
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0086

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Derartige, im Sinne jüngerer Kunstweise umgeschaffene Varianten lassen
sich, glaube ich, auch für die Statue von Cherchel noch nachweisen. Als solche
möchte ich z. B. den (am Pagus bei Smyrna gefundenen) Torso in Berlin n. 75
betrachten. Stellung und Haltung der Arme stimmen mit unserer Athene überein;
doch trägt die Göttin unter dem dorischen Chiton ionisches Untergewand. Die Linke
war gesenkt; der rechte Oberarm gieng, nach dem erhaltenen Ansätze zu schließen,
fast horizontal vom Körper ab, an der rechten Hüfte ist noch ein Ansatz der
Stütze vorhanden, die zu dem Arm emporführte. Die Aigis ist etwas breiter, das
Gorgoneion mehr nach der Mitte gerückt. Der Kopf fehlt, „hinten hängt ihr ein
Haarschopf" (Conze). Trotz der mannigfachen Abweichungen im einzelnen scheint
mir hier doch die Anlehnung an unseren Typus sicher zu stehen.

Durch das charakteristische Motiv der schrägen Aigis ist ferner mit der
Athene Hephaistia auch der Athenetypus verknüpft, der in einer Statue von Ince
Blundell Hall vorliegt, bei Michaelis, Anc. marbles S. 339 n. 9 (Clarac 473,
899 B. Furtwängler, Statuenkopien im Alterthum, Abhandl. d. bair.' Akad.
d. Wissensch. XX 3, S. 33 T. V). Das Gewand ist im Marmorstile der nach-
praxitelischen Zeit umgebildet. Der Überfall ist eingegürtet, wie bei der Parthenos.
Auf der linken Schulter liegt ein Mäntelchen auf; der linke Arm war gesenkt.

Noch weiter abgeändert ist das Gewand an der Athene zu Newby Hall
(Michaelis, Ancient marbles S. 529 n. 23, Clarac 462 A, 888 B), wo zu dem Chiton
der Mantel tritt, der auf der linken Schulter aufliegt und um den Unterleib
geschlagen ist; die Linke war gesenkt, die Rechte hielt die Eule, wie bei einer
von Michaelis angeführten Broncestatuette zu Erbach.

Selbst die sogenannte Athene Agoraia des Louvre (Fröhner n. 121, Clarac 320,
871, Amelung, Basis des Praxiteles S. 24) darf vielleicht noch in die Einflussreihe
unseres Athenetypus gestellt werden, wenn auch bereits eine zu lange Kette von
neuen Motiven zwischen beiden Werken liegt, um eine directe Abhängigkeit
behaupten zu lassen.

Mit Sicherheit aber darf man eine solche Abhängigkeit für die vorher er-
wähnte Athene Borghese n. 183 (Heibig, Führer II n. 928), die Fig. 36 nach neuer
Aufnahme abgebildet ist, behaupten.

Der Kopf ist nicht zugehörig. Ergänzt ist der rechte Arm mit dem Ärmel,
ebenso der linke von der Mitte des Oberarmes abwärts. Der größere Theil des
Schildes und der darunter verborgenen Schlange ist alt. Das Stellungsmotiv der
Athene von Cherchel ist hier mit einer praxitelischen Ponderation vertauscht, bei
der die Last des Körpers auf dem linken Fuße ruht, während der rechte zur
 
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