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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Reisch, Emil: Athene Hephaistia
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0088

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dass der Künstler in Äußerlichkeiten an das Cultbild mit bewusster Absicht
sich anschloss, dass er nicht nur die Tracht und die Waffen, nicht nur den
Schild und die Schlange, sondern auch das Pflanzenwerk unter dem Schilde
beibehielt. Die verführerische Vermuthung, die mir von befreundeter Seite
geäußert wurde, es sei das Original der Borghesischen Figur eben jenes Weih-
geschenk, das nach dem Ausweis der Basis CIA II 114 im J. 343/2 von der
athenischen Bule dem Hephaistos und der Athene Hephaistia aufgestellt worden
ist, wird, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, durch die Standspuren auf
jener Basis ferngehalten, die ich vor Jahren im inneren Hofe des athenischen
Nationalmuseums gesehen habe.

Zu dieser Reihe von Statuen, die unter dem Einflüsse der Athene Hephai-
stia stehen, glaube ich noch als weitere Zeugen für den athenischen Ursprung des
Typus zwei attische Reliefs fügen zu dürfen, das unten Fig. 37 abgebildete Relief
aus Epidauros, für das ich späterhin noch genauer attische Herkunft und bewusste
Abhängigkeit von den Tempelbildern des Hephaisteion nachzuweisen versuchen
werde, und das fragmentierte Urkundenrelief bei Schöne, Griech. Reliefs XVI 77
(Le Bas T. 48, Friederichs-Wolters 1169). Auf letzterem sehen wir Athene behelmt
in gegürtetem Chiton, mit sehr schmaler schrägumgelegter Aigis; der linke Arm
hängt längs des Körpers herab — nur die obere Hälfte der Figur ist erhalten —
der rechte Arm war vorgestreckt, vermuthlich um zu bekränzen.5)

Lässt sich auf Grund aller dieser Denkmäler für den Typus der Athene
Cherchel mit voller Sicherheit die Herleitung von einem angesehenen athenischen
Tempelbilde behaupten, so erübrigt noch die Frage, ob dieser Typus auch der
letzten Voraussetzung, die wir an die Athene-Statue des Hephaisteion knüpfen
mussten, genügt, der Voraussetzung nämlich, dass er von der Hand des Alkamenes
geschaffen sei.

Wir besitzen über Alkamenes nur eine überaus dürftige Überlieferung,
immerhin lässt sich, wie ich (Eranos Vindobonensis S. 20 f.) zu zeigen versucht
habe, daraus das eine erkennen, dass Alkamenes der eigentliche Fortsetzer und
treueste Erbe der phidias'schen Kunstart gewesen ist.

Kein großer Neuerer auf dem Gebiete der Typik, kein gewaltiger Erfinder
in der Wiedergabe neuer Bewegungsmotive, hat der Künstler überkommene

5) Dass dieser Athene-Typus auch in der Malerei
nachgewirkt hat, darf man vielleicht aus der schönen
Pelike von Kertsch in der Ermitage zu St. Peters-
burg (1793 Stephani, Compte rendu 1860, 2, Wiener

Vorlegebl. A T. IX 1) schließen. Die behelmte
Athene trägt da ähnliche Gewandung und eine schräge
schärpenartige Aigis; der rechte Unterarm ist erhoben,
der linke Arm geht am Körper herab.
 
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