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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Reisch, Emil: Athene Hephaistia
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0089

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Kunstformen feinsinnig weitergeführt, klug und mit glücklichem Nachempfinden
der.gegebenen Aufgabe charakteristisch angepasst.

Schon oben ist darauf hingewiesen, wie an der Figur von Cherchel bei
aller äußerlichen Verwandtschaft zur Parthenos des Phidias doch scharf und
zielbewusst durch eine Reihe kleiner Züge die friedfertige, freundliche Göttin,
die Pflegemutter des Erichthonios gekennzeichnet ist. Wie gut zu dem Gesammt-
charakter der Statue der Kopf der Athene des Louvre sich fügt, darf jetzt wohl
betont werden, nachdem ich vorher die möglichen Bedenken, die gegen die
Verwertung jener Figur als Copie der ,Hephaistia' erhoben werden könnten,
nicht verhehlt habe. Dieser im Ausdruck noch strenge Kopf, der aber durch die
feinen Formen des schmalen Gesichtes und die sanfte Neigung etwas Mildes und
fast Zärtliches gewinnt, ließe uns den Künstler in ähnlicher Weise wie Kephi-
sodot als einen Vermittler zwischen der phidias'schen Herbe und dem ,Sentiment'
in den Köpfen des IV. Jahrhunderts erscheinen.

Freilich mit der ,Venus Genetrix', die Furtwängler und nach ihm andere
dem Alkamenes zuschreiben, wüsste ich unsere Athene nicht zusammenzubringen;
aber meine Bedenken gegen diese Rückführung (Eranos Vindobon. 18) sind
dadurch, dass die Hypothese seitdem mehrfach wiederholt, aber in ihrer Begründung
nicht verstärkt worden ist, nicht entkräftet worden. Ich vermag innerhalb der
phidias'schen Schule keinen Platz zu finden für jenes Werk, das in durchaus ver-
schiedener künstlerischer Auffassung herbe Zierlichkeit mit schwungvoller Be-
wegtheit paart6). Ich vermag auch nicht zu glauben, dass die Aphrodite ev x^Ttotg,
die als Oiipavta der Nemesis verwandt war, von einem Künstler wie Alkamenes
in solcher Weise hätte dargestellt werden können. Wenn Furtwängler, Meister-
werke der griechischen Plastik 741 mir eingewendet hat, die philosophische
Würdigung, die Plato Sympos. p. 180 D von der Aphrodite Urania gibt, habe
auf Alkamenes keinen bestimmenden Einfluss üben können, so wird damit die Be-
deutsamkeit jener philosophischen Charakteristik nicht aus der Welt geschafft.
Denn nicht, dass der Schöpfer der Aphrodite Urania dieselben Ideen wie Piaton
gehabt habe, habe ich behauptet, wohl aber, dass jene Charakteristik des Piaton
nur ausgesonnen werden konnte, wenn eine entsprechende Grundlage in den
Volksvorstellungen, in der Cultsage und damit übereinstimmend auch in den
Tempelbildern der Aphrodite Urania gegeben war.

Ich denke mir die Aphrodite des Alkamenes vielmehr in dem kürzlich von

°) Vgl. Winter, 50. Berliner Winckelmannsprogramm (1890) S. 119.
 
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