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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Reisch, Emil: Athene Hephaistia
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0097

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Hephaistostempel einen Neubau zu erkennen, der an Stelle einer älteren, wohl
vorpersischen Gründung trat, ganz ebenso, wie dies für die in der gleichen Zeit
erbauten Tempel in den Heiligthümern des Dionysos, des Ares, der Aphrodite
Urania theils ausdrücklich bezeugt ist, theils sicher vorausgesetzt werden kann.

Es ist wohl möglich, dass ähnlich wie jene Vasenbilder auch die officielle
Cultsage des Hephaisteion die Vorgeschichte der Geburt des Erichthonios im
Dunkeln gelassen und sich dabei beruhigt hat, Hephaistos als Vater und Athene
als Pflegemutter des Erichthonios zu betrachten. Gerade im Kerameikos sind ja
zwischen diesen beiden Gottheiten auch Beziehungen angebahnt gewesen, die
von der Erichthonios-Sage völlig unabhängig waren. Schon in solonischer Zeit
ist Athene die Schirmfrau des athenischen Gewerbfleißes und rückte so all-
mählich in ein näheres Verhältnis zu dem kunstfertigen Schutzpatron des Hand-
werkes. Wie Bruder und Schwester, wie Freund und Freundin finden sie sich
zusammen in der Sorge für das athenische Volk und die ganze arbeitsame
Menschheit; so sehen wir beide vereint bei der Ausstattung der Anesidora auf
dem Schalenbild Elite ceram. III 44 (Roscher Lex. d. Mythol. I 2057) und bei
der Betrachtung des Panathenäenzuges auf dem Ostfries des Parthenon. Wie
sie hier vertraulich und zwanglos, aber in den Schranken der Ziemlichkeit mit
einander verkehren, so hat gewiss auch Alkamenes bei der Schöpfung der neuen
Tempelbilder den Gedanken an Hephaistos unglückliche Liebeswerbung völlig
zurücktreten lassen und nur das ungetrübte Freundschaftsverhältnis der beiden
zu gemeinsamem Schutz der attischen Autochthonen verbundenen Patrone attischer
Arbeit vor Augen zu stellen beabsichtigt. Dieser künstlerisch geläuterten Auf-
fassung hat Piaton, indem er die Volks- und Cultvorstellungen hier wie so oft zu
philosophischer Verklärung emporhebt, schwungvollen Ausdruck verliehen im
Kritias p. 109 C: "Hcpataxog oe xoivfjV xa> A9-/]Vä cpuaiv £yvovxe<; tzjxa [xev aSeXcpyjv ex
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Ganz aus derselben religiösen und künstlerischen Stimmung heraus ist nun
aber auch das Relief von Epidauros entstanden und, wie es aller Wahrschein-
lichkeit nach attische Arbeit ist, so dürfen wir mit Sicherheit behaupten, dass
es aus dem Vorstellungskreise des athenischen Hephaisteion, unter dem Einflüsse
der Anschauungen, die in den Tempelbildern verkörpert waren, entstanden ist. Wo
könnte auch eher als dort die Version entstanden sein, dass erst der Schutzherr der
athenischen xaXxetg der mit ihm verbündeten Stadtgöttin die Waffen verfertigt habe?
 
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