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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Reisch, Emil: Athene Hephaistia
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0098

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Und nun dürfen wir wohl einen Schritt weiter gehen und die Behauptung
aufstellen, dass dem Künstler des Reliefs auch bei der Gestaltung seiner Figuren
die athenischen Terapelbilder vor Augen geschwebt haben. Nur handelte es sich
ihm natürlich nicht um eine Nachbildung der Tempelbilder, vielmehr sind in
seiner Composition die Statuen gewissermaßen lebendig geworden und zu
einer Handlung zusammengetreten, die das Freundschaftsverhältnis, das die
Götter verbindet, dramatisch vor Augen stellt. Denn die Annahme, dass auch
in der Tempelgruppe selbst die beiden Gottheiten durch das Motiv der Helm-
Übergabe, die doch nur eine momentane Action ist, zu einander in Beziehung
gesetzt waren, würde ich bei dem Mangel zutreffender Analogien — handelt
es sich hier doch um Colossalfiguren — nicht zu vertreten wagen. Vielmehr
möchte ich glauben, dass die Athene des Reliefs zur Athene Hephaistia des
Alkamenes in dasselbe Verhältnis zu setzen ist, in dem so viele Athene-Figuren
der attischen Votiv- und Urkundenreliefs zur Parthenos stehen.

Furtwängler hat allerdings (Sitzungsber. d. Münchener Akademie 1897, 290)
gerade in der Athene des epidaurischen Reliefs eine Nachbildung der von ihm
reconstruierten Lemnia des Phidias erkennen wollen. Nun würde zwar gewiss
die für jene ,Lemnia' vorausgesetzte Haltung und Bewegung sich wohl erklären
lassen, wenn die Göttin, wie in dem Relief, mit Hephaistos gruppiert gewesen wäre.
Aber wie einerseits der auf die ,Lemnia' bezogene Athenetypus aus stili-
stischen Gründen nicht mit der um 420 entstandenen Athene des Hephaisteion zu-
sammengebracht werden kann, so war andrerseits die Lemnia des Phidias, soweit
wir wissen, eine Einzelfigur. Wie ich also nicht glaube, dass der Reconstruction der
,Lemnia' aus dem Relief eine Stütze erwachsen kann, so scheint es mir andrer-
seits von vornherein einleuchtend, dass es einem Künstler, der um 400 Athene
mit Hephaistos vereinigt darstellen wollte, unendlich viel näher liegen musste,
statt der Einzelfigur des Phidias die Gruppe des Hephaisteion zum Vorbild zu
nehmen. In der That stimmt die Athene des Reliefs im Standmotiv und in der
Gewandbehandlung ungleich genauer mit der Athene von Cherchel als mit den
Dresdener Torsen überein; von entscheidendem Gewicht scheint mir auch hier
wieder die Form der Aigis. Verändert erscheint auf dem Relief die Haltung
der Arme, weil eben die Figur aus einer ruhenden in eine handelnde umgesetzt
werden musste; des weiteren musste natürlich Athene hier, wo sie ihren Helm
erst von Hephaistos empfangen soll, unbedeckten Hauptes dargestellt werden.
So wenig der Künstler die Absicht haben mochte, das athenische Tempelbild
zu copieren, so sehr stand er, wie wir Ähnliches an der Kunstproduction jener
 
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