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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Szántó, Emil: Archäologisches zu Goethes Faust
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0111

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ist, „in dem traurigen lemurischen Reiche", wo sie auch nicht aufhört, die Genossen
ihres Zustandes durch ihre Kunst zu erheitern, aber „ein wahres Bild der trau-
rigen Lemuren" ist, „denen noch so viel Muskeln und Sehnen übrig bleiben,
dass sie sich kümmerlich bewegen können, damit sie nicht ganz als durchsichtige
Gerippe erscheinen und zusammenstürzen." Ein Blick auf die Abbildung der drei
Lemuren lehrt, dass es in der That aus Bändern, Sehnen und Gebein geflickte
Halbnaturen sind. Im dritten Bilde endlich sieht Goethe die Tänzerin bereits in
der Unterwelt, wo der versöhnte Schatten seine menschliche Gestalt wieder
erlangt hat.

Olfers hat in einigen Details die Goethe'sche Erklärung unzweifelhaft be-
richtigt. Nur in einem Hauptpunkt, der Auffassung des ersten Bildes, scheint er
gegen Goethe einen Rückschritt gemacht zu haben. Er fasst es nämlich als
Todtenmahl für die gestorbene Tänzerin auf und sieht in der tanzenden Gestalt
eine minder treffliche Kunstgenossin, die zu Ehren der Verstorbenen den Tanz
aufführt. Das soll durch die derbere und ungraziösere Darstellung der Tänzerin
des ersten Bildes gegenüber der auf dem dritten ausgedrückt sein. Aber abge-
sehen davon, dass eine Verschiedenheit sich wenigstens aus der gegebenen Zeich-
nung nicht entnehmen lässt, bleibt nur die Wahl, entweder die cyclische Com-
position zu bestreiten und die drei Platten nicht auf die Schicksale derselben
Person zu beziehen oder zuzugestehen, dass auch im ersten Bilde die bestattete
Tänzerin selbst dargestellt ist. Freilich wird Olfers darin Recht haben, dass
dieses erste Bild ein Todtenmahl und nicht ein Gastmahl ist. Aber dann muss
es ein Todtenmahl sein, das einer anderen Person galt und in dem die bestattete
Tänzerin zu Lebzeiten in der Ausübung ihres Berufes dargestellt war, wenn man
nicht eine kühne Symbolik des Künstlers annehmen will, der die zur Darstellung
gebrachte Tänzerin an ihrem eigenen Grabe oft geübte Ceremonien ausführen
ließe. Eine dritte Auffassung wäre noch möglich, wenn man annähme, dass es
sich nicht um das Grab einer Tänzerin, sondern irgend einer beliebigen Person
handelt und ihr zu Ehren eine so im eigentlichen Sinne lebendige Action, wie
der Tanz, in den drei Stadien des Lebens, des Übergangsstadiums und des
Daseins in der Unterwelt dargestellt wäre. Man müsste dann im ersten Bilde den
Todtentanz am Grabe der verstorbenen Person erblicken, im zweiten und dritten
Bilde nicht mehr als den allgemeinen Gedanken ausgesprochen finden, dass nach
dem irdischen Leben die Actionen des Lebens erst eine widerwärtige, nachher
aber eine versöhnlichere Gestalt gewinnen. Dieser Gedanke würde sich aber so
sehr der Goetheschen Auffassung nähern, dass wir ihn nicht zu verfolgen brauchen.

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