Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

DOI article:
Szántó, Emil: Archäologisches zu Goethes Faust
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0112

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
IOO

Nach Olfers Versicherung ist das Gelagbild in der Mitte der Grabkammer
über dem mittleren Sarkophag angebracht; das nach Goethes Anordnung zweite
steht links, das dritte rechts vom Eingang.

Die Goethe'sche Anordnung steht und fällt mit der Annahme einer cycli-
schen Composition. Der Schatten in der Unterwelt ist nothwendig ein späteres
Stadium als das Skelett. Denn wenn die bekannten Skelettdarstellungen, wie sie
zuletzt noch durch den Fund von Bosco Reale zutage getreten sind, von der Auf-
fassung jenes pessimistischen Epikuräismus ausgehen, der das Problem von Tod
und Leben dadurch löst, dass er zum frohen Lebensgenüsse auffordert, weil nach
dem Tode alles vorbei sei, und wenn daher die dieser Weltanschauung folgende
Kunst in den Skeletten ein Memento mori hinstellt, das eigentlich ein Memento
vivere ist, so muss sie allerdings die widerwärtigste Gestalt bilden, die der
menschliche Körper in seinem Wandel annimmt, das „lemurenhafte Scheusal"
gleichsam als die — nach dem Leben — ewige Gestalt des Menschen auffassen
und darauf verzichten, ein späteres Stadium, in welchem der Schatten in der
Unterwelt sich wieder der menschlichen Gestalt nähert, darzustellen oder auch
nur begrifflich zuzulassen. Wenn aber ein Fortleben in der Unterwelt geglaubt
und dargestellt wird, so kann der Zustand, in dem der Körper Skelett ist, nur
ein vorübergehender sein und hat seinen Platz zwischen Leben und Jenseits. Die
wenigen Darstellungen tanzender Skelette, die wir besitzen2), berechtigen uns
nun nicht, das zweite Bild aus seinem Zusammenhange zu lösen, die cyclische
Composition der drei Bilder zu leugnen und damit unserem Skelettbilde einen
Platz in der Reihe jener Darstellungen zu geben, die von einer Unterwelt nichts
wissen. Mag der Künstler immerhin von solchen Bildwerken beeinfiusst gewesen
sein, die Thatsache, dass auf allen drei Bildern der Grabkammer eine tanzende
Figur den Mittelpunkt bildet, macht die Richtigkeit der Auffassung Goethes
wahrscheinlich.

Zweifellos nun scheint mir zu sein, dass eben dieses Bild Goethe vorgeschwebt
hat, als er den Lemuren im Faust ihren Platz gab. Seit 1812 mindestens hat
er es gekannt, im zweiten Relief die Gestalten als Lemuren bezeichnet und
sie so beschrieben, wie sie dargestellt sind. In der Positur der tanzenden
lemurischen Gestalt sieht er zudem etwas Komisches, nicht etwas Edles wie in
den Bewegungen der Tänzerin auf dem ersten und dritten Bilde. „Bekleide man
dieses lemurische Scheusal mit weiblich jugendlicher Muskelfülle, man überziehe
sie mit einer blendenden Haut, man statte sie mit einem schicklichen Gewand

-) Treu, de ossiivm humanorum larvarumque apud antiquos imaginibus pag. 37 sqq. n. 108 bis III.
 
Annotationen