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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Wickhoff, Franz: Der zeitliche Wandel in Goethes Verhältnis zur Antike dargelegt am Faust
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0125

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wo er aus der antiken Wolke sich niederlassend, wieder seinem bösen Genius
begegnet. Sage das Niemanden; dies aber vertraue ich Dir, dass ich von diesem
Punkte weiter fortzuschreiten und die Lücke auszufüllen gedenke, zwischen dem
völligen Schluss, der schon längst fertig ist." Zu diesem Briefe vom Jahre 1827
gesellt sich eine Äußerung an Sulpiz Boisseree vom 3. August 1815 „das Ende
ist fertig und sehr gut und grandios gerathen, aus der besten Zeit."

Dass die bildende Kunst bei der Vollendung der Schlussscene mitgewirkt,
geht aus einer Mittheilung Eckermanns hervor, zu dem Goethe sagte: „Übrigens
werden Sie zugeben, dass der Schluss, wo es mit der geretteten Seele nach oben
geht, sehr schwer zu machen war, und dass ich bei so übersinnlichen, kaum zu
ahnenden Dingen mich sehr leicht im Vagen hätte verlieren können, wenn ich
nicht meinen poetischen Intentionen durch die scharf umrissenen christlich
kirchlichen Figuren und Vorstellungen eine wohlthätig beschränkende Form
und Festigkeit gegeben hätte."

An diesen ganz unzweideutigen Worten Goethes, die das Ende seines Faust
in die zweite Arbeitsperiode an dem Werke, also in das Ende des 18. oder den
Beginn des 19. Jahrhundertes setzen, wollte man neuerdings mäkeln, sie sollten
„doch nur in irgend einem beschränkten Sinne verstanden werden dürfen."12)
Ludwig Friedländer hatte die überraschende Entdeckung gemacht, dass der Chor
„Waldung sie schwankt heran" von einer Darstellung mit dem Leben der Ein-
siedler der thebaischen Wüste im Campo Santo zu Pisa beeinflusst sei, die
Goethe durch einen Stich Lasinios kennen gelernt habe.13) Dehio, der richtig er-
kannte, dass auch die vorangehende Scene von anderen Tafeln in Lasinios
Kupferwerk über den Campo Santo beeinflusst sei, meinte dann, der ganze
Schluss müsse nach der Bekanntschaft mit Lasinios Publication fallen.14) Das trifft
aber eben nur für die Stellen zu, die sich auf den Campo Santo beziehen und
Entwürfe und Ausgeführtes weisen auf eine andere Zeit der Entstehung.

Goethe hatte folgenden ersten Entwurf für die Schlussscene niedergeschrieben:
„Chor der Büßerinnen . . . Maria Magdalena . . . Die Samariterin . . . Chor . . .
Gretchen ... Seel. Knaben . . . Gretchen . . . Mater gloriosa . . . Doctor

12) G. Dehio im Goethe-Jahrbuch VII. Band
(Frankfurt a. M. 1886) S. 264.

13) Deutsche Rundschau 1881, Jänner.

u) G. Dehio a. a. O. 263 fr. Im Goethe-Jahr-
buch 1887, S. 249. hat Jakob Minor behauptet und
es gelegentlich wiederholt, Goethe habe den Triumph
Jaüreshefte des üsterr. archäol. Institutes Bd. I.

des Todes zuerst an dem Tieckschen Roman Sterbaids
Wanderungen kennen gelernt. Tieck beschreibt den
Felsen nicht nach einer künstlerischen Vorlage. Er
gibt einen Auszug aus Vasaris Beschreibung im Leben
des Orcagna. Vasari hatte Goethe schon früher gelesen.

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