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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Wickhoff, Franz: Der zeitliche Wandel in Goethes Verhältnis zur Antike dargelegt am Faust
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0128

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die wie eine Illustration der letzten Scene des Faust aussehen. Aber das mag ein
Zufall sein. Alle diese Kuppeln sind mit Glorien bemalt, von Lanfranco, von
Pietro da Cortona und seinen Schülern. Oder diese haben, wie für die kleinen
Kuppeln von St. Peter, die Zeichnungen für die Mosaiken geliefert. Viele dieser
Kuppelfresken sind gestochen. Die Kuppel der Chiesa Nuova mit den schwe-
benden Engeln, die in Chören herumziehen, die Leidenswerkzeuge tragend, könnten
noch auf die letzte Ausgestaltung der Scene eingewirkt haben. Heute werden
diese Schöpfungen, schon als technische Leistungen bis jetzt unübertroffen, von dem
Kunstpöbel so wenig beachtet, dass die liebliche Kuppel von S. Agnese, der ich
eben gedachte, in den gangbaren Reisehandbüchern unerwähnt bleibt, während
die Sculpturen der römischen Frührenaissance, meistentheils Alfanzereien im
Schreinerstil, deren sich ein ausgelernter Handwerksgeselle schämen müsste, um-
ständlich belobhudelt werden. Diese Leute verhimmeln gewisse Stilperioden im
ganzen, weil sie die Leistungen im einzelnen nicht mehr zu beurtheilen vermögen.
Das war zu Goethes Zeit anders. Wer über Kunst etwas schreiben wollte, dem ward
auch zugemuthet, von der Kunst etwas zu verstehen. Es wäre einem gebildeten
Beobachter unmöglich gewesen, an so großartigen Leistungen verachtend vorüber-
zugehen. Goethen waren gerade die römischen Kuppelmalereien durch die Bildung
des Einzelnen nahe gebracht. Vielleicht hätte er sich in die richtunggebenden
lombardischen Vorbilder in jener Zeit schwerer hineingefunden. Auf den römischen
Kuppeln waren die herkulischen Männer, die vollendeten Frauenkörper und die
zarten Knaben der Antike um- und nachempfunden, und er befand sich behaglich
unter diesen Gestalten, weil ihre Schöpfer dasselbe schon versucht hatten, was
ihm damals zu einem wirklichen Kunstprincipe geworden war, die Antike nach-
zuahmen. Ihrer Classicität halber hatte er diese Gebilde betrachtet und darum
ließ er sie vor seinem Urtheile gelten, als sie sich in phantastischer Lebendigkeit
mit seiner Poesie vermählten.

3-

Über die Antike her war Goethe zu Raphael gekommen, auf diesem Wege
war er - zu den Bolognesen fortgeschritten und hatte selbst die späteren Nach-
fahren Annibales oder Domenichinos, weil er sie auf dieser Straße fand, theil-
nehmend begleitet. Solcher Führung bedurfte es in spätem Jahren nicht mehr.
Er ist voll von antiken Kunstwerken, er benutzt sie noch öfter als früher im
Faust, besonders die classicierenden Perioden der neuen Kunst bewundert er noch
so wie früher, aber sein Interesse ist breiter geworden, er hat sich der mittel-
alterlichen Kunst wieder zugewandt, er nimmt auf die realistische Kunst des
 
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