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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Wickhoff, Franz: Der zeitliche Wandel in Goethes Verhältnis zur Antike dargelegt am Faust
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0130

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allermeist." (6409—6414). Der Unterschied dorischer und gallischer Baukunst
könnte nicht besser wiedergegeben werden. Als nun gar die sagenberühmten
Gestalten von Paris und Helena erscheinen, Paris nach dem antiken Schema des
Ausruhens, den Arm zierlich über das Haupt legt, nennt das der deutsche
Kämmerer eine Flegelei (6465, 6466). Die Damen finden an Helena den Kopf
zu klein, den Fuß zu groß (6502, 6503), was etwa noch heute naives weibliches
Empfinden an einer antiken Venusstatue zu tadeln fände. Als sich aber Helena
über Paris beugt, um ihn zu küssen, wird eine Dame an ein Gemälde von Luna
und Endymion erinnert (650g). So geschieht hier dem hochgebildeten Dichter
das Umgekehrte, was Shakespeare mit Giulio Romano geschah, als er ihn in ein
Stück einführte, das im Alterthume spielt; denn die Dame am deutschen Kaiser-
hofe im Mittelalter konnte kein antikes Sarkophagrelief, kein pompeianisches Ge-
mälde mit Luna und Endymion gesehen haben. Bei Goethe ist vielleicht ein
Scherz mit im Spiele, sagt er doch einmal: „was uns von wahrer Poesie übrig
geblieben, lebt und athmet nur in Anachronismen".24)

Anderswo erscheinen glänzende Bilder im Stile der italienischen Renais-
sance. Homunculus über dem schlafenden Faust schwebend, erkennt seinen
Traum und beschreibt ihn. Faust sieht im Traume, wie Zeus Leda, Helenens
Mutter, als Schwan überrascht. Goethe wetteifert in diesen allerschönsten Versen
mit dem Bilde des Correggio in Berlin, das er Zug für Zug nachbildet (6903 bis
6920). Auf ältere italienische Malerei geht die Darstellung Faustens in der vor-
angehenden Beschwörungsscene zurück; „Im Priesterkleid bekränzt ein Wunder-
mann" (6421). Er hatte in einem der Tafelwerke Young William Ottleys die
Darstellung des Simon Magus gesehen, nach einem alten Fresco in der Ober-
kirche von Assisi. Im weiten Faltengewande bekränzt, schwebt er, von fünf
Engelknaben gehalten, in der Luft.25) Goethe muss, als er diese Tafel gesehen
hatte, diesen Wunderthäter sogleich mit seiner Vorstellung von Faust verbunden
haben, er lässt ihn so bekleidet nicht nur in der letzten Scene des ersten Actes
erscheinen, sondern in der Schlussscene, und zwar in ihrer ersten Hälfte, die
zuletzt gedichtet wurde, wieder, und zwar von Engeln getragen, die er dann
nach und nach überwächst, um die Gruppe so umzubilden, wie sie im längst-
gedichteten zweiten Theile der Schlussscene erschien, als eine von Engelknaben
umkreiste Gestalt.

24) Aus der Anzeige von Manzonis Adelchi. Intended to illustrate the history of tlie restoration
2ä) Young William Ottley, A Series of Plates, of the Arts of Design in Italy. London 1826.

engraved after the Paintings and Sculptures of the Plate VI.

most eminent Masters of tlie early Florentine School.
 
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