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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Wickhoff, Franz: Der zeitliche Wandel in Goethes Verhältnis zur Antike dargelegt am Faust
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0133

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schwebten doch wieder neuere Kunstwerke vor. Denn die mit Edelsteinen und
Goldschmuck verzierten Nereiden sind nicht antik, sondern es mochte Goethe
Dürers Amymone oder ein Blatt des Stechers I. P. mit dem Vogel in den Sinn
gekommen sein. Der Seismos ist der Personification des Erdbebens nachgebildet
unter dem Kerker des Petrus in den Raffaelischen Tapeten.32) Noch sonderbarer
wirkte die Antike und Raffael oder die Antike durch Raffael bei der Schöpfung
der Galatea, denn Raffael hatte das Fresko, das Goethe nachbildete, nach einer
Beschreibung des Philostratos gemalt. Ein großer Künstler hatte die Beschrei-
bung in ein Bild umgesetzt und ein congenialer Geist dieses Bild in einer be-
rauschend dramatischen Scene benützt.

Es ist ausführlich besprochen worden, wie für den letzten Act des Faust
Lasinios Stiche für den Campo Santo von Pisa benutzt worden sind.33) Ich habe
darauf hingewiesen, wie auch Ottleys Florentinische Schule mit einwirkte, und will
nur hier darauf hinweisen, dass auch der rosenstreuende Engel aus dem Fresco des
Signorelli in Orvieto Goethe aus diesem Buche bekannt wurde.31) Düntzer, der
in seinem Faustcommentar behauptet: „Engel, welche, indem sie Rosen streuen,
eine Seele zum Himmel geleiten, finden wir häufig auf alten Gemälden," dürfte
es schwer werden, ein einziges Beispiel dafür aufzubringen. Doch auch hier
sind es nicht die Engel des Signorelli, die für die Formen, was auch bei dem
vereinzelten schwer möglich gewesen wäre, allein das Vorbild gegeben hätten.
Ist auch das lange Faltenhemd (11708) von diesem Engel von Orvieto genommen,
die Vorstellung der Körperformen dieser Engel, die Mann und Weib verführen
(11782), das „bübisch-mädchenhafte Gestümper", wie Mephistopheles sagt (11687),
deutet auf jene weichen Gebilde hin, wie sie in dem Dionysos und anderen
träumerischen Knabengestalten die antike Kunst geschaffen, bedenkliche Gebilde,
die endlich in die Darstellung der Hermaphroditen selbst ausarten, die von der
Renaissance herübergenommen und auf die Engel angewandt wurden, die bei
Bernini und auch schon früher in jenen zweideutig sinnlichen Formen erscheinen,
„wie frömmelnder Geschmack sich's lieben mag" (11688). Es mag sich darum der
Teufel wohl anmaßen, dass er bei Schöpfung griechischer Kunstwerke inspi-
rierend mitgewirkt habe:

„Ihr wisst wie wir, in tiefverruchten Stunden,
Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht;
Das Schändlichste, was wir erfunden,
• Ist ihrer Andacht eben recht." (11689—11692.)

32) Das sah zuerst Heinrich Brunn, die philo- 33) Von Dehio a. a. O.

stratischen Gemälde S. 295 Anm. 8. 34) Plate LIV.

Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. I. I 6
 
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