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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Heberday, Rudolph: Vorläufige Berichte über die Ausgrabungen in Ephesus
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0260

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Bruder oder einen jüngeren Verwandten des praxite-
lischen Hermes vor sich zu haben. Eine Verschmelzung
solcher Elemente würde sich von einem späteren
Künstler der sogenannten zweiten attischen Schule
sehr wohl vergegenwärtigen lassen, und vor Praxiteles
und Skopas ist die Umbildung des älteren Typus,
welche unsere Bronce erkennen lässt, keineswegs
vorstellbar. Ich muss mich für jetzt auf diese kurze,
durchaus vorläufige Notiz beschränken und füge nur
noch Angaben über die Fundumstände hinzu. Die
Statue lag vor einer aus ionischen Säulen gebildeten,
vollständig wiederherstellbaren Wandaedicula, auf
deren Boden ein niederes viereckiges Postament nicht
viel unter Augenhöhe steht; augenscheinlich war sie
von diesem Postament, das keine Spuren der Be-
festigung und nur Theile noch von der einstigen
Inschrift trägt, herabgefallen. Die Inschrift war nach
einem Proconsul, einem Schreiber und dem Gymna-
siarchen L. Claudius Frugianus datiert, ihre Charaktere
schienen uns auf augusteische, jedesfalls frührömische
Zeit zu deuten. Dass ein älteres AVerk hier zu neuer
Aufstellung kam, wäre nicht ausgeschlossen.

Die zweite Statue wurde in der Nähe auf dem
Boden der Halle gefunden, ihren ursprünglichen
Standort kennen wir nicht. Sie ist in sorgsam po-
liertem weißen Marmor gearbeitet und stellt auf einer
an den Schmalseiten gerundeten Plinthe in überlebens-
großen Formen einen nackten Knaben vor, der mit
untergeschlagenem linken Beine auf dem Boden sitzt,
eine eingefangene Ente mit dem linken Arme steif
niederdrückt und, mit dem rechten Arm zur Abwehr
in die Luft fahrend, in Erregung aufblickt. Das reiz-
volle Motiv, das in geringen Copien, die sich im
Vatican und in Florenz finden, auch in ähnlicher
Verwendung anderweitig sich wiederholt, ist vortreff-
lich durchgeführt, liebenswürdig namentlich das Gesicht
des Kindes mit dem offenen Munde, und stellt sich
dem berühmten Knaben mit der Gans zur Seite,
dessen geschlossenere Composition auf Boethos zurück-
geht. Die Figur ist jetzt wiederhergestellt.

Im Bauschutte des Saales gewannen wir unter
anderem mannigfache scharf anpassende Theile einer
vorzüglich gearbeiteten Gruppe aus schwarzem Basalt,
deren Composition sich in den Grundzügen allmählich
herausklärte. Eine Sphinx, am Leibe wie eine Löwin
geformt, hat sich mit emporgeschlagenen Flügeln auf
einen rücklings über einem Felsen liegenden nackten
Griechenjüngling geworfen, den sie mit den Tatzen
zerfleischt. Die technische Durchführung dieser sel-
tenen, statuarisch noch unbekannten Darstellung ver-

räth in den fein polierten Fleischtheilen, den leicht
gerauhten und daher ins Graue spielenden, höchst
sauber gezeichneten Haarpartien, auch dem gewählten
Steinmateriale nach, die nämliche oft bezeugte Kunst-
schule, der die schönen Kentauren im Capitol ent-
stammen, welche aus der Villa Hadrians von Tivoli
herrühren und die Künstlerinschrift des Aristeas und
Papias aus dem nahen Aphrodisias im Maiander-
thale tragen. Die Proportionen des Jünglings sind
etwa ein Drittel unter Lebensgröße, alle Seiten der
Sculptur von gleichmäßiger Sorgfalt; die für eine
Wandnische ungeeignete Gruppe muss daher im
Saale gestanden haben, wie ingleichen einige monu-
mentale Becken, so ein wiederherstellbares großes
Luterion aus Basalt, wohl auch eine Colossalfigur
aus weißem Marmor, in der wir nach nackten Partien
von Armen und Beinen ein heroisches Kaiser-
bildnis vermutheten. Von der Porträtstatue eines bär-
tigen Griechen ist namentlich der treffliche Kopf
vorhanden, von einer weiblichen Idealstatue des reif
archaischen Stiles gleichfalls der Kopf, beide aus
weißem Marmor, der letztere mit strähnig ciseliertem
Haar und strengen edlen Gesichtsformen. In die
Menge des Übrigen, erst flüchtig Untersuchten, will
ich mich nicht verlieren, um noch eines größeren
Bröncefundes zu gedenken, den uns das Glück an
einer offenbar ebenfalls unberührt gebliebenen Stelle
in dem erwähnten mittelalterlichen Einbaue der Nord-
ostecke des Saales zuführte.

Er bestand aus zahlreichen durcheinander ge-
fallenen Stücken, die sämmtlich mit einer dicken
Kruste von Kohle und trockenem Schlamm über-
zogen waren, aber theilweise schon in Ephesus sich
ausschälen ließen, vollkommen in Wien gereinigt
werden. Aneinander gefügt sind jetzt die separat ge-
gossenen oberen Bestandtheile eines candelaber-
artigen Räuchergeräthes. Sein etwa auf anderthalb
bis zwei Meter Höhe zu schätzender Aufbau und
die Art der reichen Verzierungen muthen pompe-
janisch an, finden für uns wenigstens heute in Pom-
peji die nächsten Parallelen. Das oberste Theilstück
ist ein rechteckiges Becken, oben 27 X 24 Centi-
meter breit, durch das sich innen ein Rost von
Metallcylindern zog; außen ist es allseitig in Relief
mit einem Flechtbande, Akanthosornamenten, einem
Perlstab, Voluten und hängenden Palmetten verziert.
Den nach unten nächstfolgenden Theil bildet ein
neun Centimeter hohes capitellartiges Kugelstück,
das mit einem doppelten Blattkelche geschmückt ist.
Dann folgt eine 14 Centimeter hohe Doppelbüste des
 
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