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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Heberday, Rudolph: Vorläufige Berichte über die Ausgrabungen in Ephesus
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0256

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59

6o

den Urboden, den wir in circa 80 Cenlimeter See-
höhe erreichten. Diese fortlaufend beobachteten,
wiederholt photographierten und in ihren Ergeb-
nissen umständlich vermessenen Arbeiten ergaben
mit einer kritischen Durchprüfung der Wood'schen
Erzählungen, dass das Artemision nach dem Gothen-
brande des Jahres 263 n. Chr. nur dürftige Wieder-
herstellungen erfuhr und schon im späteren Alter-
thume als Steinbruch diente. Nur so ward ver-
ständlich, dass wir auf dem in beträchtlicher Aus-
dehnung bloßgelegten Boden an keiner Stelle, selbst
nicht in dem bis auf lom Entfernung heranreichenden
nördlichen Grundstücke irgend ein Bauglied des
Tempels erhielten. Im Westen fanden wir einen über-
lebensgroßen Marmorkopf der hellenistischen Epoche,
fünf griechische Inschriften der Kaiserzeit, über
zwanzig heterogene Architekturglieder und in letzter
Tiefe nach Beseitigung des Grundwassers ein aus
polygonen Mannorblöcken gebildetes Pflaster nebst
einigen Sculptursplittern und zahlreichen Gefäß-
scherben des sechsten und fünften Jahrhunderts. Die
l'flasterstelle findet sich in der Achse des Tempels
dicht an der Mauer des britischen Terrains, 55—6om
entfernt von der Westfront des Tempels. Da in der
zweiten westlich noch weiter abliegenden, in der
Grundfläche noch größeren Grube kein Pflaster wie
überhaupt nichts Nennenswertes zum Vorschein kam
und Pflaster auch in den beiden Gruben des Nord-
feldes bis auf 40m Entfernung vollkommen fehlte, so
ergab sich, da an einen Straßenzug nicht zu denken
ist, dass wir wahrscheinlich in die Umgebung eines
Vorbaues gestoßen waren, und dass der Altar, wie
ohnehin zu vermuthen stand, in größerer Nähe des
Tempels unter Woods Schutthügeln gesucht werden
muss. Vielleicht gibt eine Darlegung unserer Ergeb-
nisse, die ich der angekündigten Abhandlung vor-
behalte, in London den Anstoß, unser wissenschaftlich
angezeigtes Experiment auf dem britischen Terrain
fortzusetzen und eine genaue Aufnahme der Ruine
von Stein zu Stein damit zu verbinden, die der
Kunstgeschichte bei der Größe des Objectes, wann
immer, nicht mehr vorenthalten werden kann.

Waren uns am Artemision Enttäuschungen nicht
erspart, so erwiesen sich drei Versuchsgräben, die
wir in der hellenistischen Stadt auf dem kurzweg
Agora genannten Terrain zwischen dem römischen
Hafen und dem Theater ausheben ließen, umso er-
giebiger. Die Stellen waren zufällig gewählt, und
überall kam in der Tiefe Architektur aus mannig-
faltigen edlen Marmorarten zum Vorschein, außerdem

acht Eriesplatten eines bedeutenden Bauwerkes der
ersten Kaiserzeit mit Guirlanden und Ochsenköpfen,
mehrere wohlerhaltene Marmorköpfe und eine Menge
von Sculpturfragmenten, deren wir an einer Stelle
bis zu zweitausend auflasen. Alles zeigte Spuren
eines verheerenden Brandes, der sich mit Wahr-
scheinlichkeit auf die Gothenzerstörung des Jahres
263 n. Chr. zurückführen ließ und früher oder später
mit einem Zusammenbruch der Gebäude verbunden
war. Auf den Trümmern dieser Katastrophe hatten
dann spätere Geschlechter in kümmerlichem, aus
älterem Material zusammengestücktem Mauerwerk
neue Wohnungen aufgeführt, meist ohne in die Tiefe
zu fundamentieren. Der Untersuchung in hohem
Grade hinderlich war das drei Fuß tiefe Grund-
wasser, das nach einem sofortigen Nivellement gleiche
Höhe mit dem Spiegel des Hafenbeckens zeigte und
sich aller Anstrengungen unerachtet nicht beseitigen
ließ, da der Zufluss durch das schüttere Geröll sich
weit stärker erwies als das Ausschöpfen und Aus-
pumpen mit allen Beuten. Was zu finden war, musste
buchstäblich aufgefischt werden, und genauere Auf-
nahmen waren unter solchen Umständen nur bis zu
einem gewissen Grade möglich. Aber die Energie
Humanns leistete mit der Truppe geschulter Arbeiter,
die er mir zugeführt hatte, Erstaunliches, und trotz
tropischer Glut ließ er es zum Schlüsse sich nicht
nehmen, auch die Frage der Ableitung des Grund-
wassers in der versengten Thalebene für uns selber
zu studieren. Stand ihm doch nach dem über-
raschenden Erträgnis seiner aufs Geradewohl gezo-
genen, verhältnismäßig kleinen Gräben fest, dass man
an der vornehmsten Stelle der Stadt auf einer Fund-
stätte stehe, in der reguläre Ausgrabungen mit Aus-
sicht auf eine reiche Ernte einzusetzen hätten.

Nach diesen Voruntersuchungen habe ich im
vorigen März denjenigen Theil des Stadtgebietes von
Ephesus, der sich vom Fuße der umschließenden
Berge bis zu dem Hafensumpfe hinzieht und — das
aus der Apostelgeschichte bekannte Theater ein-
begriffen — ein Areal von 340.000 Quadratmetern,
etwa 60 österreichische Joch, darstellt, von dem
Eigenthümer, der ein Tschiflik von ein paar Meilen
Grundfläche bewirtschaftet, angekauft, auch die nö-
thigen Vorbereitungen für eine größere Ausgrabung
getroffen. Ein im Orient zeitweilig engagierter gali-
zischer Ingenieur stellte nach Humanns Angaben und
eigenen Vermessungen einen über zwei Kilometer
langen, vier Meter breiten Entwässerungscanal her,
der den Hafenspiegel und damit das Grundwasser
 
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