Zur Komposition der Gigantomachie
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soviel ist sicher, wirkt abscheulich, ja sie ist ein Monstrum, ein unerträgliches,
ohne jede antike Analogie"). Ich sehe mit Vergnügen, daß Heberdey die von
Furtwängler dringend geforderte Auseinanderzerrung der Athena und ihres Gegners
nur noch in sehr bescheidenem Maße empfiehlt. Wie weit dafür die von Heberdey
beobachteten Eigentümlichkeiten in der plastischen Ausführung des Unterkörpers
der Athena entscheidend sein können, möchte ich ohne nochmalige Untersuchung
des Originals nicht bestimmen. Nach Heberdeys Vorschlag kommt der Gigant so
zu Athenas Füßen zu liegen, daß sein angezogener rechter Unterschenkel rechts
neben der breiten Mittelfalte ihres Gewandes herabgeht, während er in der jetzigen
Aufstellung etwa 0*3 ^ weiter nach links gerückt ist. Ich gebe gern zu, daß die
Annahme, von der ich dabei ausging — daß Athena mit der linken Hand den
Buschträger auf dem Helm ihres Gegners gepackt hielt — manche Schwierigkeiten
einschließt; daß sie unmöglich sei, möchte ich ohne erneute Betrachtung des Originals
nicht aussprechen. Sehen wir von der Haltung der linken Hand der Athena ab, so
scheint mir die von mir angeordnete Aufstellung ihres Gegners zu ihren Füßen sehr
deutlich empfohlen zu werden durch die starke Vornüberneigung ihres Oberkörpers
und die Drehung ihres Kopfes in die Dreiviertelansicht. In Furtwänglers Skizze bleibt
es unverständlich, warum Athena ihren Kopf nicht im Profil dem so weit von ihr
abgerückten Gegner zuwendet, warum sie die linke Schulter so tief gesenkt hält. Beides
wirkt natürlich und ausdrucksvoll in der jetzigen Aufstellung. Man wird, wenn über-
haupt, nur durch Versuche an Abgüßen feststellen können, wie weit man die Figuren
auseinander ziehen darf, ohne die Bewegung der Athena unverständlich zu machen.
Dabei wird man natürlich auch die Möglichkeiten der Bewegung der linken Hand
der Athena durchzuprüfen haben. Immer aber wird man sich vor Augen halten
müssen, daß die Athenagruppe als Mittelstück der ganzen Komposition durch die
Ausbreitung beider Oberkörper in der Hauptebene charakterisiert ist — mit dem
gleichen einfachen Kunstmittel, das ähnlich in der Mittelgruppe des olympischen
Megareergiebels, einer auch sonst dem athenischen Giebel verwandten Komposition,
angewendet ist. Es scheint klar, daß die Wirkung dieses Kunstmittels je nach der
näheren oder weiteren Entfernung der beiden Figuren von einander sehr verschieden
ausfallen muß, weiter aber, daß die Verknüpfung der beiden Giebelhälften zur Ein-
heit an der dafür entscheidenden Stelle, in der Mittelgruppe, um so anschaulicher
werden muß, je kräftiger die beiden Figuren sich überschneiden.
Frankfurt a. M., August 1917. HANS SCHRÄDER
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soviel ist sicher, wirkt abscheulich, ja sie ist ein Monstrum, ein unerträgliches,
ohne jede antike Analogie"). Ich sehe mit Vergnügen, daß Heberdey die von
Furtwängler dringend geforderte Auseinanderzerrung der Athena und ihres Gegners
nur noch in sehr bescheidenem Maße empfiehlt. Wie weit dafür die von Heberdey
beobachteten Eigentümlichkeiten in der plastischen Ausführung des Unterkörpers
der Athena entscheidend sein können, möchte ich ohne nochmalige Untersuchung
des Originals nicht bestimmen. Nach Heberdeys Vorschlag kommt der Gigant so
zu Athenas Füßen zu liegen, daß sein angezogener rechter Unterschenkel rechts
neben der breiten Mittelfalte ihres Gewandes herabgeht, während er in der jetzigen
Aufstellung etwa 0*3 ^ weiter nach links gerückt ist. Ich gebe gern zu, daß die
Annahme, von der ich dabei ausging — daß Athena mit der linken Hand den
Buschträger auf dem Helm ihres Gegners gepackt hielt — manche Schwierigkeiten
einschließt; daß sie unmöglich sei, möchte ich ohne erneute Betrachtung des Originals
nicht aussprechen. Sehen wir von der Haltung der linken Hand der Athena ab, so
scheint mir die von mir angeordnete Aufstellung ihres Gegners zu ihren Füßen sehr
deutlich empfohlen zu werden durch die starke Vornüberneigung ihres Oberkörpers
und die Drehung ihres Kopfes in die Dreiviertelansicht. In Furtwänglers Skizze bleibt
es unverständlich, warum Athena ihren Kopf nicht im Profil dem so weit von ihr
abgerückten Gegner zuwendet, warum sie die linke Schulter so tief gesenkt hält. Beides
wirkt natürlich und ausdrucksvoll in der jetzigen Aufstellung. Man wird, wenn über-
haupt, nur durch Versuche an Abgüßen feststellen können, wie weit man die Figuren
auseinander ziehen darf, ohne die Bewegung der Athena unverständlich zu machen.
Dabei wird man natürlich auch die Möglichkeiten der Bewegung der linken Hand
der Athena durchzuprüfen haben. Immer aber wird man sich vor Augen halten
müssen, daß die Athenagruppe als Mittelstück der ganzen Komposition durch die
Ausbreitung beider Oberkörper in der Hauptebene charakterisiert ist — mit dem
gleichen einfachen Kunstmittel, das ähnlich in der Mittelgruppe des olympischen
Megareergiebels, einer auch sonst dem athenischen Giebel verwandten Komposition,
angewendet ist. Es scheint klar, daß die Wirkung dieses Kunstmittels je nach der
näheren oder weiteren Entfernung der beiden Figuren von einander sehr verschieden
ausfallen muß, weiter aber, daß die Verknüpfung der beiden Giebelhälften zur Ein-
heit an der dafür entscheidenden Stelle, in der Mittelgruppe, um so anschaulicher
werden muß, je kräftiger die beiden Figuren sich überschneiden.
Frankfurt a. M., August 1917. HANS SCHRÄDER
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