J. Six, Altgriechische ,.durchbrochene Arbeit"
l6ß
die Frau eine hübsche Palmette oder ein Phantasietier oder gar ein Wagen-
rennen, wie es das Weihgeschenk des Euthydikos an der Chitonborte zeigts),
sticken zu lassen, sondern zumeist nur ein ganz gewöhnliches Zickzackmuster zu
geben scheinen, wie es so häußg die Mützen
an der Wand der polychromen Lekythen
zeigen.
Alle diese Umstände scheinen mir eine
ganz andere Technik nahezulegen: eine Art
Netztechnik ohne Knoten. Als ,.durchbrochene
Arbeit" hat Fräulein Luise Schinnerer dieses
Flechten beschrieben, das sie an Hand ruthe-
nischer Bauernarbeiten in koptischen Mützen
wieder erkennen konnte. Den Hinweis auf
ihre lehrreiche Schrift „Antike Handarbeiten
mit einer historischen Einleitung von Prof.
Dr. Alois Riegl" verdanke ich Fräulein Sie-
wertsz van Reesema, die selber diese Ar-
beiten übt. Das Verfahren ist folgendes:
Es wird wie für ein kleines Gewebe eine
Kette auf einen Rahmen gespannt, in ein
vorderes und hinteres Feld geteilt, der Zu- 107: Vasenbild Cabinet Pourtales.
sammenhang aber nur durch Verflechtung
dieser Fäden hergestellt, und zwar, da die Fäden oben und unten festliegen,
oben und unten zu gleicher Zeit und durch eine einzige Bewegung.
Bezeichnet man die vorderen Fäden mit: 1, 3, 5, 7, 9, 11, die hinteren mit
2, 4, 6, 8, 10, 12 und deutet man das vordere Feld durch schräge, das hintere durch
gewöhnliche Zifferntypen an, so ist die Anfangslage: 7 2 3 4 5 6 7 8 9 10 77 12.
Bringt man nun den ersten hinteren Faden 2 hinter den ersten vorderen nach vorn,
den vierten um den dritten usw. und hält man sie so durch eine eingeschobene
Spatel, so entsteht die Lage 2 1 ^3 65 <$7 7# 9 72 11, und zwar oben zu gleicher
Zeit wie unten. Jetzt werden 1 und 3 unter 2, 3 unter 4 usw. durch nach vorn
geführt, so daß die ungleichen Nummern wieder vorn sind, wo sie auch jetzt fest-
gehalten werden müssen, die erste Spatel aber ausgezogen werden kann, um bei
einer folgenden Tour benutzt zu werden.
3) F. Winter, Jahrbuch 11 1S87, 217.
21
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die Frau eine hübsche Palmette oder ein Phantasietier oder gar ein Wagen-
rennen, wie es das Weihgeschenk des Euthydikos an der Chitonborte zeigts),
sticken zu lassen, sondern zumeist nur ein ganz gewöhnliches Zickzackmuster zu
geben scheinen, wie es so häußg die Mützen
an der Wand der polychromen Lekythen
zeigen.
Alle diese Umstände scheinen mir eine
ganz andere Technik nahezulegen: eine Art
Netztechnik ohne Knoten. Als ,.durchbrochene
Arbeit" hat Fräulein Luise Schinnerer dieses
Flechten beschrieben, das sie an Hand ruthe-
nischer Bauernarbeiten in koptischen Mützen
wieder erkennen konnte. Den Hinweis auf
ihre lehrreiche Schrift „Antike Handarbeiten
mit einer historischen Einleitung von Prof.
Dr. Alois Riegl" verdanke ich Fräulein Sie-
wertsz van Reesema, die selber diese Ar-
beiten übt. Das Verfahren ist folgendes:
Es wird wie für ein kleines Gewebe eine
Kette auf einen Rahmen gespannt, in ein
vorderes und hinteres Feld geteilt, der Zu- 107: Vasenbild Cabinet Pourtales.
sammenhang aber nur durch Verflechtung
dieser Fäden hergestellt, und zwar, da die Fäden oben und unten festliegen,
oben und unten zu gleicher Zeit und durch eine einzige Bewegung.
Bezeichnet man die vorderen Fäden mit: 1, 3, 5, 7, 9, 11, die hinteren mit
2, 4, 6, 8, 10, 12 und deutet man das vordere Feld durch schräge, das hintere durch
gewöhnliche Zifferntypen an, so ist die Anfangslage: 7 2 3 4 5 6 7 8 9 10 77 12.
Bringt man nun den ersten hinteren Faden 2 hinter den ersten vorderen nach vorn,
den vierten um den dritten usw. und hält man sie so durch eine eingeschobene
Spatel, so entsteht die Lage 2 1 ^3 65 <$7 7# 9 72 11, und zwar oben zu gleicher
Zeit wie unten. Jetzt werden 1 und 3 unter 2, 3 unter 4 usw. durch nach vorn
geführt, so daß die ungleichen Nummern wieder vorn sind, wo sie auch jetzt fest-
gehalten werden müssen, die erste Spatel aber ausgezogen werden kann, um bei
einer folgenden Tour benutzt zu werden.
3) F. Winter, Jahrbuch 11 1S87, 217.
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