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Arnold Schober
28: Steinfigur
aus Waidenbruch.
grab der letzten Stufe der La-Tene-Zeit handeln und es ist nur
naheliegend, wenn das inmitten der Überreste des offenbar
zerstörten Grabes gefundene Steinbild als Denkmal zu diesem
Grabe bezogen wird. Das zweite Stück (Abb. 27) befindet sich
im Museum zu Agram und wurde kürzlich im Weingebirge
Busija bei Dalj in Kroatien gefunden, in einer Gegend, wo
vor etwa 10 Jahren V. Hoffiller (nach brieflicher Mitteilung)
ein großes bis in die La-Tene-Zeit reichendes prähistorisches
Gräberfeld nachgewiesen hat67).
Wir haben es S. 14t. als auffällig angemerkt, daß auf
den primitiven, sonst schmucklosen Grabsteinen der Auto-
chthonen der Verstorbene fast durchwegs in voller Figur dar-
gestellt ist, während in Gegenden, wo der klassische Einfluß
mit größerer Stärke einsetzte, in den Kolonistensiedlungen
und Garnisonsorten Galliens, am Rhein und an der Donau,
jener Typus bei weitem vorherrscht, der den Toten in einem
Brustbild, umrahmt von einer Scheinarchitektur und sonsti-
gem ornamentalen Schmuck, wiedergibt (Schober a. a. O.
S. 208). Dieser Typus ist unzweifelhaft aus Italien eingeführt worden, denn er ist in
Rom und in Oberitalien zu Ende der Republik und im Anfang der Kaiserzeit weit
29: Steinfigur
aus Reibreitenbach.
verbreitet. Demgegenüber treten in Italien die Steine mit der
Wiedergabe des Toten in voller Figur stark zurück68). Wie
kommt es nun, daß gerade in den Gebieten der unterworfenen
Provinzen, wo die autochthone Bevölkerung noch wenig be-
einflußt erscheint, eine Grabsteinform so häufig und manchen-
orts durchgängig verwendet wird, die nicht bloß in den frühe-
sten Einflußsphären der Römer im Lande, sondern auch in
Italien selbst so wenig gebräuchlich war? Die vielfachen Bezie-
hungen, die wir zwischen provinzialrömischen und vorgeschicht-
lichen Bildwerken aufdecken konnten, legen auch für diesen
primitiven Grabsteintypus den Gedanken nahe, daß die Bevor-
zugung der Vollfigur auf das Fortwirken einer lokalen Tradition
zurückzuführen ist.
67) Die Kenntnis des Steines verdanke ich der
Freundlichkeit Alföldys. Vgl. Ebert, Reallex. f. Vor-
geschichte II S. 343.
68) Altmann, Die röm. Grabaltäre S. 205
Fig. 162; Dütschke V S. 413 n. 1000; IV S. 330
n. 729; V S. 216 n. 531.
Arnold Schober
28: Steinfigur
aus Waidenbruch.
grab der letzten Stufe der La-Tene-Zeit handeln und es ist nur
naheliegend, wenn das inmitten der Überreste des offenbar
zerstörten Grabes gefundene Steinbild als Denkmal zu diesem
Grabe bezogen wird. Das zweite Stück (Abb. 27) befindet sich
im Museum zu Agram und wurde kürzlich im Weingebirge
Busija bei Dalj in Kroatien gefunden, in einer Gegend, wo
vor etwa 10 Jahren V. Hoffiller (nach brieflicher Mitteilung)
ein großes bis in die La-Tene-Zeit reichendes prähistorisches
Gräberfeld nachgewiesen hat67).
Wir haben es S. 14t. als auffällig angemerkt, daß auf
den primitiven, sonst schmucklosen Grabsteinen der Auto-
chthonen der Verstorbene fast durchwegs in voller Figur dar-
gestellt ist, während in Gegenden, wo der klassische Einfluß
mit größerer Stärke einsetzte, in den Kolonistensiedlungen
und Garnisonsorten Galliens, am Rhein und an der Donau,
jener Typus bei weitem vorherrscht, der den Toten in einem
Brustbild, umrahmt von einer Scheinarchitektur und sonsti-
gem ornamentalen Schmuck, wiedergibt (Schober a. a. O.
S. 208). Dieser Typus ist unzweifelhaft aus Italien eingeführt worden, denn er ist in
Rom und in Oberitalien zu Ende der Republik und im Anfang der Kaiserzeit weit
29: Steinfigur
aus Reibreitenbach.
verbreitet. Demgegenüber treten in Italien die Steine mit der
Wiedergabe des Toten in voller Figur stark zurück68). Wie
kommt es nun, daß gerade in den Gebieten der unterworfenen
Provinzen, wo die autochthone Bevölkerung noch wenig be-
einflußt erscheint, eine Grabsteinform so häufig und manchen-
orts durchgängig verwendet wird, die nicht bloß in den frühe-
sten Einflußsphären der Römer im Lande, sondern auch in
Italien selbst so wenig gebräuchlich war? Die vielfachen Bezie-
hungen, die wir zwischen provinzialrömischen und vorgeschicht-
lichen Bildwerken aufdecken konnten, legen auch für diesen
primitiven Grabsteintypus den Gedanken nahe, daß die Bevor-
zugung der Vollfigur auf das Fortwirken einer lokalen Tradition
zurückzuführen ist.
67) Die Kenntnis des Steines verdanke ich der
Freundlichkeit Alföldys. Vgl. Ebert, Reallex. f. Vor-
geschichte II S. 343.
68) Altmann, Die röm. Grabaltäre S. 205
Fig. 162; Dütschke V S. 413 n. 1000; IV S. 330
n. 729; V S. 216 n. 531.