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Olbrich, Joseph Maria; Hevesi, Ludwig [Auth. o. Intro.]
Ideen von Olbrich — Wien, [1899]

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https://doi.org/10.11588/diglit.23917#0015
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Auch das gehört schliesslich zur Echtheit.
Bei diesem Schaffen ist Alles echt. Kein Stoff,
kein Geräth hat das geringste Falsch im Leibe.
Weiches Holz schämt sich seiner Weichheit nicht
und lässt sich nicht „hart" fladern, sondern sucht
mit Manier weich zu sein. Die Verkleidung einer
Heizvorrichtung spielt nicht die geschnitzte Truhe
oder den Marmorkamin, sondern gibt sich als
die Verkleidung einer Heizvorrichtung, ist aber
als solche hübsch. Und auch wo kein fremder
Blick hindringt, herrscht der nämliche Geist. In
Küche und Mägdezimmer, in Kartoffel' und
Kohlenkeller, in Heizhaus und Waschküche ist
immer noch Alles Gestaltung und Lösung. Auch
ein Pumpenhaus kann reizend sein; es soll das
sogar, denn es würde sonst das Auge beleidigen,
das vom zierlichen Söller darauf niederschaut.

An solcher Kunst ist Alles neu, sogar das
Alte und Uralte. Wenn man diese Häuser

Olbrich's betrachtet, ruft man unwillkürlich aus:
„Gottlob, es gibt also wieder Wände!" Wand"
flächen statt der gewohnten Löchersysteme mit
all der Unruhe von falschen Säulen, Pilastern
und Giebeln. Die Annehmlichkeit der Fläche
wird wieder empfunden, und die Reinheit der
Linie, die Feinheit der Curve. Wie viel Neues
ist da wieder zu machen. Die ganze Curven'
kunst der Modernen ist ja etwas Neues. Und
etwas Endloses, denn ihre zarte oder mächtige
Melodik ist nicht auszuschöpfen. Neue Linien-'
züge, neue Gliederungen, neue Farbentöne in
neuen Gegensätzen oder Zusammenpassungen:
in alledem wühlt das moderne Talent.

Man denke sich einmal die Sache umgekehrt:
unsere Städte wären von jeher so gebaut, wie
Olbrich baut, und wir hätten nie etwas Anderes
gesehen, und plötzlich käme ein talentloses, ab?r
einflussreiches Baugeschlecht auf und über'

XI
 
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